30
Jan
2008

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Montag früh klingelte mein Telefon und Ariadna meinte, der Unterricht müsse noch einmal außerhalb der Fakultät stattfinden. Es sei wieder Streik angesagt und alle Gebäude der Uni sind deshalb geschlossen. Am Freitag wird der Tarifvertrag für die Angestellten der Universität unterzeichnet und da soll im Vorfeld noch ein wenig Druck gemacht werden. Wahrscheinlich wird sich das Spiel am Freitag auch noch mal wiederholen. Mir soll das nur recht sein, denn so treffen wir uns für die Spanischstunden in einem Café und können dort auf Kosten der Uni frühstücken.

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Diesmal, war die Runde etwas größer. Neben Anna-Maria waren noch Ivan da, sowie Tomas und Miguel, die aus England bzw. den Staaten kommen. Mit Miguel habe ich seit Ende letzter Woche gemeinsam Unterricht. Tomas ist Ivans Schüler.

Da Ivan Experte in Sachen Ökonomie ist, lag es nahe, daß wir uns weiter mit der Wirtschaft Mexikos beschäftigten. Möchte darauf jetzt nicht weiter im Detail eingehen, fand allerdings zwei Dinge bemerkenswert. Die großen, meist amerikanischen, Firmen üben hier massiven Druck auf ihre Angestellten aus. So darf Annas Tochter, die für Coca Cola arbeitet, keine Produkte auf Arbeit konsumieren, die nicht aus der Produktion ihres Arbeitgebers stammen. Noch schlimmer müssen die Verhältnisse bei Pepsi sein. Seitdem der Konzern von Mormonen übernommen wurde, wird die Belegschaft de facto gezwungen zu deren Glauben überzutreten. In einem katholischen Land, wie Mexiko, mit seinen vielen Festivitäten und seiner ausgelassenen Lebensweise kann das allerdings nur pro forma sein. Nicht desto Trotz gibt es in dem Dorf in dem Anna-Maria lebt mittlerweile einen Mormonentempel. Hier ist Pepsi der größte Arbeitgeber.

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Die Entscheidung mir eine anderes Zimmer zu nehmen, wurde mir gestern fast nahe gelegt. Es hieß urplötzlich, ich solle dreißig Peso am Tag für das Internet abdrücken. Die Frau von der Rezeption meinte, ihre Chefin hat das so angeordnet, nachdem sie mich mit meinem Laptop hat im Patio sitzen sehen. Damit fällt einer der großen Vorteile hier im Hostal für mich weg, denn die 30 Peso extra möchte ich nicht unbedingt zahlen. Habe mir deshalb gestern und heute noch ein paar Zimmer angeschaut und werde am Freitag Morgen umziehen, zu einer Mexikanerin, die neben mir noch zwei Mädels aus Texas zur Untermiete hat. Hoffe mal nur, daß da jetzt nicht die ganze Zeit englisch gesprochen wird. Habe auch gleich meine eine zukünftige Mitbewohnerin auf Spanisch zugetextet.

Es wir mir sicher nicht leicht fallen, von meinem Zimmer hier Abschied zu nehmen. Das neue ist bei weitem nicht so schön, liegt im Erdgeschoß und ist somit nicht so hell, wenn überhaupt Licht hineinkommt. Habe es nämlich nur abends, nach Einbruch der Dunkelheit gesehen. Aber der Preis ist heiß. Zahle bei Christina 1.800 Peso im Monat und wenn ich zwei Monate bleibe, zusammen 3.000. Das ist dann für zwei Monate weniger, als ich hier für eine abdrücken darf. Dafür setze ich mich doch gerne in Christinas Wohnzimmer zum arbeiten und habe auch noch das Kleingeld für den Kaffee in dem Laden, wo ich mich kostenlos ins W-LAN einwählen kann.

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Habe vor Kurzem eine tolle Sache entdeckt, die Kulturzentren oder besser Centros Culturales, wie sie hier genannt werden. Davon scheint es eine ganze Reihe zu geben. In ihnen befinden sich Ausstellungsräume, Cafés und Konzertsäle. Regelmäßig gibt es dort auch kostenlose Filmabende. Das Programm kann sich sehen lassen und hält auf jeden Fall den Vergleich mit besser sortierten Kinos in Deutschland stand. War gestern Abend in einem in der Nähe meiner neuen Bleibe und habe mir „Calender“ von Atom Egoyan angeschaut und heute Abend bin ich gleich hier um die Ecke in eins gegangen, wo Princesas gezeigt wurde.

Ich kann immer wieder nur darüber staunen, wie stark hier die Präsenz von Waffen im öffentlichen Raum ist. Und damit ich meine nicht unbedingt, daß die Geldboten die Hand an der Knarre haben, wenn sie die Geldsäcke im Laufschritt zur Bank bringen. Auch nicht, daß vor bzw. in jeder Bank ein Typ mit Pumpgun oder ähnlichem Spielzeug rumlungert. Vielmehr fällt immer wieder die hohe Polizeipräsenz auf den Straßen und die schwere Bewaffnung der Bullen auf. Heute Mittag standen im Abstand von gut zehn Metern auf einen kompletten Block verteilt bestimmt ein Dutzend der paramilitärisch aussehenden Bullen mit ihren Sturmgewehren rum. Am Abend wurde dann klar, warum sie da waren. Gegenüber befand sich eine Kirche und ein Beerdigungsinstitut. Vor letzterem drängte sich eine große Menschenmenge, die zum Großteil auch in Uniform steckten. Wahrscheinlich hatte es einen der ihren dahin gerafft und jetzt hieß es Abschied nehmen. Wozu man dafür allerdings Sturmgewehre braucht, ist mir nicht ganz klar.
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