16
Jan
2008

...

Wie gestern fest vorgenommen, bin ich heute Vormittag noch mal zur Uni, die Sache mit dem Sprachkurs endlich unter Dach und Fach bringen. Das war dann letztlich eine Sache von nur wenigen Minuten. Da ich in Oaxaca nicht nur Spanisch lernen wollte, buchte ich die Hälfte der üblichen Stunden. Zwei Unterrichtsstunden am Vormittag und noch ein wenig Intercambio am Nachmittag, das sollte reichen. Grammatik, so behauptete ich großspuring, hatte ich schon bis zum Erbrechen gehabt. Das müsse dann doch nicht mehr sein. Bevor ich mich aber wieder aus dem Staub machen konnte, mußte ich noch schnell einen Test absolvieren. Damit der Professor meinen Kenntnisstand einschätzen könne. Glaube, bei dem Test total versagt zu haben. Subjunctivo und Conditional sind für mich in erster Linie Fremdwörter. Das man damit auch Sätze bauen kann, hatte ich schon mal gehört. Mehr aber auch nicht. Da hatte man auf Anhieb meinen wunden Punkt erwischt.

Der Tag wollte dann gar nicht mehr so recht in Schwung kommen. Ich hatte mal wieder ziemlich mit der Rechentechnik zu kämpfen. Kam auf einmal nicht mehr ins Netz. Habe ewig herumgerätselt, woran das liegen könne und irgendwann doch noch einen rettenden Einfall gehabt. Jetzt bin ich wieder online.

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Leicht frustriert machte ich mich gegen fünf noch mal auf den Weg, um ein wenig im Abendlicht zu fotografieren. Kaum hatte ich das Hostal verlassen, da hörte ich schon Sprechchöre aus der Ferne. Ihnen folgend stieß ich nur wenige Blocks weiter auf einen Demonstrationszug. Anfangs verstand nicht so recht, worum es ging, dachte es sei eine Lehrerdemo. Als ich allerdings am Zocalo die Transpis mit den Forderungen sah, erinnerte ich mich an den Demoaufruf wg. der steigenden Fahrpreise, den ich gestern gesehen hatte.

Die Fahrpreise mögen vielleicht der Anlaß für die Demonstration gewesen sein, die Reden gingen aber bei weitem darüber hinaus. Die handelten von steigenden Preisen allgemein, welche es vielen Menschen kaum mehr ermöglichten das Überleben zu sichern, der Privatisierung der PEMEX, der staatlichen mexikanischen Ölgesellschaft oder ungleichen Bildungschancen. Ein breites Bündnis hatte zur Demo aufgerufen, Landarbeiter, Studenten, Hochschullehrer und die APPO – die Asamblea Popular de los Pueblos de Oaxaca. Nicht nur letztere forderte lautstark die Freilassung der politischen Gefangenen, die seit den Unruhen vor zwei Jahren und im letzten Sommer eingesperrt sind. Immer wieder wurden die Reden von lauten Sprechchören unterbrochen.

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Lautstärke und Vehemenz der Demo erinnerten mich an das, was ich von zu Hause kannte. Nur daß hier nicht Autonome auf der Straße waren, sondern ganz normale Menschen, wie man sie in Deutschland nur bei den eher ruhigen Anti-Hartz-Demos zu sehen bekommen hat. Und doch hatte ich hatte den Eindruck, daß alle angesprochenen Themen diese ganz normalen Leute zu tiefst bewegten. Als eine Frau einen Kalender mit Bildern von den Straßenschlachten im letzten Sommer herum reichte, blätterten nicht wenige interessiert darin. Kaufen wollte man ihn allerdings dann doch nicht. Hundert Peso sind schon eine Stange Geld in Mexiko. Aber auch eine Summe, die mir nicht wirkliche weh tut. Also habe ich mir zur Feier des Tages den Kalender geleistet. Das Geld wird den Gefangenen zugute kommen, wie mir die Frau versicherte, die ihn verkaufte. Ihr Bruder ist einer von ihnen.

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Die letzten Redner waren noch nicht fertig, da rollte eine große Gruppe Demonstranten wie auf Befehl ihre Transparente ein und verließ im Laufschritt den Zocalo. Hatte nicht so recht verstanden, was jetzt vor sich ging, bin aber mit ihnen mit gelaufen. Ein paar Straßen weiter kam ich mit einem Mann ins Gespräch, der mir erklärte, daß sie alle aus einer anderen Stadt kamen und sich jetzt in Richtung Heimat begeben mußten. Ich ließ sie weiter durch die Straßen eilen und machte mich auf den Rückweg, Richtung Zocalo und Hostal.

Jetzt, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, tobte in den Straßen das Leben. Durch weit geöffnete Türen und Fenster konnte man Jugendlichen beim Salsakurs zusehen oder Kindern, wie sie sich unter Anleitung ihres Trainers im Kampfsport übten. An jeder Ecke war ein Freßstand aufgebaut. Bei einem besonders eng umlagerten, an dem es riesige Tortillas gab, ließ ich mich zum Abendessen nieder.
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