25
Jan
2008

...

Als ich früh zur Uni ging, bin ich in der Nähe des Zocalo in einen Polizeieinsatz geraten. Etwa ein Dutzend schwer bewaffneter Beamter mit Stahlhelmen und schußfesten Westen war dabei zwei Männer festzunehmen. Diese wurden auf die Ladefläche eines gerade ankommenden Pickups gezwungen und die Köpfe der Verhafteten runter drückend fuhr eine Teil der Truppe mit ihnen weg. Der Rest entfernte sich im Laufschritt vom Ort des Geschehens.

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Die schwarzen Uniformen, die Ausrüstung und das Vorgehen erinnerten irgendwie an eine Kommandoaktion, wie man sie aus den amerikanischen SWAT-Filmen kennt. Einzig verwunderlich bei der Sache war, daß neben mir noch ein halbes Dutzend Fotografen fleißig am Knipsen waren. Woher hatten die denn von der Verhaftung erfahren? Oder hatte sie etwa der Zufall hierher geführt? Als ich später in der Uni von der Geschichte erzählte, meinte Anna-Maria, daß sei eine abgekartete Sache gewesen. Eine Show für die Presse, wie sie des öfteren insziniert würde, um die Aufrüstung der Polizei zu rechtfertigen.

Generell glich die Stadt den ganzen Tag einem Heerlager. Überall waren Polizisten anzutreffen und nicht wenige der Bullen waren ähnlich schwer bewaffnet, wie die am Morgen. Grund für die Aufruhr war die Wahl des neuen Vorstands der juristischen Fakultät. So eine Wahl scheint hier in Mexiko eine heiße Sache zu sein, denn schon im Vorfeld gab es Demos. Auch am Tag der Wahl ging es lautstark zur Sache. Das war dann wohl auch der Grund für die massive Polizeipräsenz.

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Am Abend habe ich mich mit Paola getroffen. Eigentlich wollten wir uns meine mp3-Sammlung zu Gemüte führen. Aber Paola hatte umdisponiert. Um acht sollte eine Galerieeröffnung stattfinden, zu der sie unbedingt gehen wollte. Also setzten wir uns in ein Café gleich um die Ecke.

Neben den üblichen Fragen zu Deutsch bzw. Spanisch drehte sich unser Gespräch auch wieder um politische Themen, die Situation in Mexiko allgemein und in Oaxaca im Besonderen. Paola war der Auffassung, daß das Land seit der Jahrtausendwende immer gefährlicher geworden ist und dies zum großen Teil an der Zunahme des organisierten Verbrechens liege. Wie in Lateinamerika so üblich, gibt es da auch immer wieder die unheimlichen Allianzen mit Politik und Sicherheitsapparat. Sie behauptete, daß zum Beispiel eine Spezialeinheit der Armee sich von dieser abgespalten hat, um für die Drogenbarone zu arbeiten. Für ganz so abwegig wie es klingt, halte ich die Geschichte nicht einmal. Vor kurzem habe ich in der Zeitung gelesen, daß mehrere Lokalpolitiker in Zusammenhang mit dem Drogenhandel festgenommen wurden.

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Ich bin dann noch mit in die Galerie und war nicht wenig darüber erstaunt, daß hier fast mehr englisch als spanisch gesprochen wurde. Zumindest am Anfang des Abends war das so. Nach und nach kamen dann immer mehr Leute, die Paola gut zu kennen schien. Viele waren irgendwie mit der Kunstszene in Oaxaca verbandelt, wie sie meinte und einige auch in Menschenrechtsorganisationen oder anderen NGO's tätig.

Die Galerie wurde in den Nebenräumen eines Cafés eröffnet, das Freunden von Paola gehört. Neben dem kommerziellen Aspekt der Galeriegründung gibt es wohl auch noch einen sozialen. Ein Teil der Erlöse aus den Verkäufen soll an Projekte in indigenen Dörfern im Staate Oaxaca gehen.

24
Jan
2008

...

Bin heute noch mal ins „Centro de Abastos“, den großen Markt am Busbahnhof gegangen. Abastos heißt zwar Lebensmittel, hier gibt es aber alles was man sich nur denken kann. Natürlich konnte man auch alles nötige zum Essen bereiten bekommen. Aber auch für die Kochfaulen wie mich, war gesorgt. Bevor ich meinen Rundgang startete, setzte ich mich in einen der Comedores und stärkte mich für den langen Fußmarsch.

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Der Markt ist riesig verglichen mit den anderen und im Gegensatz zu diesen auch nicht komplett in einem abgeschlossenen Gebäude untergebracht. Er besteht zu großen Teilen aus einem Labyrinth von dicht aneinander gedrängten Buden. Die Gänge zwischen ihnen sind mit Wellblech überdacht, oftmals wurden auch nur Planen gespannt. Labyrinth ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck für das Durcheinander, denn die Buden sind im selben Schachbrettmuster angeordnet, wie die Städte hier in Mexiko. Allerdings enden die Gänge nicht selten in einer Sackgasse oder führen auf eine kleine Plaza. Um diese drängen sich dann Essensbuden, deren Tische und Bänke den freien Platz einnehmen.

Das ganze glich einer kleinen Stadt, in der es Straßen und Bezirke mit nur einem Gewerbe gibt und dann wieder solche, wo die unterschiedlichsten Gewerke friedlich nebeneinander existieren. Es gab Bereiche, wo soweit das Auge reichte sich Brotstand an Brotstand reihte. Mittendrin befand sich, wie eine Insel im Ozean, ein abgeschlossener Bereich mit einem Dutzend Fleisch- und Wurstständen. Hier dampfte und brutzelte es munter vor sich hin, während das Fleisch zum Teil zum sofortigen Verzehr zubereitet wurde.

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Man konnte hier aber auch durch nicht enden wollende Gänge schreiten und sich an einem Stand mit Geschirr eindecken, beim Nachbarn Werkzeug erstehen und nur wenige Schritte weiter Schuhe oder Jeans anprobieren. Neben den regulären Buden gab es noch die fliegenden Händler. Diese saßen vor und zwischen den Ständen auf mitgebrachten Hockern oder einfach auf dem Boden, von ihren Waren umgeben. Bei ihnen konnte man Obst, Gemüse oder getrockneten und geräucherten Fisch bekommen.

Ich bin mehr als eine Stunde durch die Gänge geirrt, habe mich mit Obst für die nächsten Tage eingedeckt und fleißig fotografiert. Als ich müde wurde strebte ich dem Ende des Marktes zu, an dem ich da Zentrum der Stadt vermutete. Da hatte ich mich allerdings so richtig vertan und beim herumschlendern offenbar die Orientierung völlig verloren haben. Ich kam nämlich am entgegengesetzte Ende heraus und durfte den kompletten Markt einmal umrunden, um den Heimweg anzutreten.

23
Jan
2008

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Von wegen gestern ist nichts weltbewegendes passiert. Ganz so langweilig, wie das klingt, war der Tag dann doch nicht. Habe am Nachmittag Santa, Chris und Nick auf der Terrasse kennen gelernt. Und irgendwie waren wir uns sofort sympathisch. Eigentlich hatte ich Santa nur deswegen angesprochenen, weil sie ein Buch von Alejandro Jodorowsky las. Kenne Jodorowsky nur als Regisseur abgedrehter Filme wie „La Montaña Sagrada“ und „Santa Sangre“. Santa meinte, er habe aber auch eine ganze Reihe von Büchern geschrieben. Sie las gerade einen Band mit Kurzgeschichten, sehr kurzen Kurzgeschichten. Den will ich mir jetzt auch besorgen, um so ein wenig Spanisch lernen mit Lesen verbinden zu können.

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Die drei kommen zwar aus den Staaten, sprachen aber sympathischer Weise auch untereinander Spanisch. Santa ist in in D.F. geboren und lebt seit drei Jahren in Oregon. Nick, ihr „Esposo“, ob das in ihrem Fall jetzt wirklich Ehemann heißt, weiß ich nicht, kommt aus New York. Die beiden spielen zusammen in einer Band, mit der sie über den Jahreswechsel ein wenig in Mexiko getourt sind.

Chris ist ein Freund aus Portland, der die beiden dabei begleitet hat und nun mit ihnen noch eine Weile durch Mittelamerika reist. Als wir uns auf der Terrasse begegneten, war er gerade dabei Spanisch zu lernen. Dafür, daß er das erst seit gut einer Woche tat, sprach er sehr gut. Da bin ich richtig neidisch geworden.

Jedenfalls erzählten die drei von einer Bar, wo es ab elf ein Konzert einer Ska- und Raggeaband geben sollte. Da ich ja total auf die Mucke hier abfahre, habe ich mich mit ihnen dort verabredet.

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Bin kurz vor elf in dem Laden aufgeschlagen und war mir anfangs nicht so sicher, ob es nun wirklich eine gute Idee war, herzukommen. Der Raum, der vielleicht acht mal fünfzehn Meter groß war, eine Bar, eine Bühne und ein gutes Dutzend Tische hatte, wirkte auf den ersten Blick nicht wie ein Club, wo man gute Musik hören könne. Er hatte eher etwas rustikales mit seinen Wänden aus Feldsteinen und dem gemauerten Gewölbe. Abgesehen von einem Tisch mit einigen Jugendlichen wirkte auch das wenige Publikum etwas steif. Wunderte mich, wie hier jemals Stimmung aufkommen solle und bestellte mir vorsichtshalber nicht die Zweiliterkanne Bier zum Specialpreis, sondern nur so ein Minifläschchen. Das war ein Fehler, wie sich ziemlich schnell herausstellen sollte.

Schon beim zweiten Song sprangen die Leute vom Nachbartisch auf die Tanzfläche und tobten wie wild los. Und das sollte die ganze Nacht so weiter gehen. Die Band kopierte gnadenlos alles, was in der Latino-Szene Rang und Namen hat. Da wurden Stücke von Panteón Rococó und Maldita Vecindad zum Besten gegeben. Aber auch Manu Chao und Los Fabulosos Cadillacs mußten herhalten. Bald tanzte der ganzen Saal, auch nicht wenige der etwas steif aussehenden Herren. Das Rumgespringe artete sogar einmal zu einer Art Punk-Polonaise aus. Das mag jetzt zwar schlimm klingen, war aber überhaupt nicht peinlich. Alle waren ausgelassen und bester Stimmung. Da hat sowas niemanden gestört.

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Der Spaß ging bis gegen zwei Uhr in der Nacht und ich hatte heute morgen einige Probleme aus dem Bett zu kommen. Es blieb natürlich nicht bei dem einen Bierchen. Am Ende hatten wir noch zwei Kannen und diverse andere alkoholische Getränke klein gemacht.

Möchte an dieser Stelle ein wenig über meinen Tagesablauf berichten. Denn ich würde sagen, daß ich hier jetzt wirklich angekommen bin. Mein Tagesrhythmus ähnelt mittlerweile dem von zu Hause stark.

Ich wache in der Regel zwischen kurz vor sieben, es fängt gegen halb sieben an zu dämmern, und kurz nach acht auf und mache dann erst einmal meine Jogaübungen. Bevor ich gegen elf in die Uni zu meinen zwei Stunden Spanischunterricht gehe, setze ich mich noch auf die Terrasse und mache Hausaufgaben, lese etwas in den Schriften der APPO oder checke meine Mail.

Nach dem Unterricht schlendere ich oft noch ein wenig durch die Stadt, kaufe etwas ein und suche mir irgend einen kleinen Laden, wo ich Mittag esse. Wenn ich damit fertig bin, ist so um zwei herum und viel zu heiß, um noch irgendetwas draußen zu machen. Ziehe mich dann zurück ins Hostal, erledige Kleinkram, wie Wäsche waschen, lege mich evtl. noch einmal hin oder lerne weiter Spanisch.

Gegen Abend hole ich dann noch mal den Laptop raus und schreibe ein wenig über das was am Tag geschehen ist, erledige die Post oder arbeite andere Sachen ab, die erledigt werden müssen. Falls sich jemand findet, der mitkommt, ziehe so nach zehn, lieber um elf, noch einmal los in eine Kneipe oder einen Klub. Liege dann, wie von zu Hause gewohnt, zwischen zwölf und zwei im Bett.
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