22
Jan
2008

...

Bin heute, wie schon einige Male zuvor, durch laute Musik zu früher Morgenstunde geweckt worden. Habe sie diesmal allerdings nicht weiter beachtet. Das erste Mal, als ich die Blaskapelle und das Trommeln früh um acht vernommen habe, bin ich noch aus dem Bett gesprungen, habe die Kamera geschnappt und bin dem Lärm gefolgt, in der Hoffnung auf einen Umzug oder eine Demo zu treffen. Leicht enttäuscht mußte ich feststellen, daß es nur die Polizei war, die auf einer Plaza hinter der Basilika mit großem Brumbaborium ihren Morgenappell abhielt.

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Da heute mal wieder nichts weltbewegendes passiert ist, werde ich weiter über kleine Beobachtungen schreiben, die ich in den letzten Tagen so gemacht habe. So zum Beispiel über die Schilder auf den eindringlich darauf hingewiesen wird, sich nach der Benutzung der Toilette die Hände zu waschen. Diese findet man nicht nur hier im Hostal sondern auch auf nicht wenigen Klos in den Restaurants der Stadt. Sind nun die Mexikaner besonders hygienebewußt? Oder hängt man die Schilder deshalb auf, weil man hier eher auf Kriegsfuß mit solchen Dingen steht? Falls letzteres zutrifft, dann müßten solche Schilder auch die Klos in Deutschland zieren.

Ich glaube es wird auch so langsam Zeit ein paar Worte über Jack, meinen Gitarre spielenden Cowboy-Nachbarn zu verlieren. Er war es, der mir den Tipp mit der etwas fragwürdigen Unterkunft letzten Freitag gegeben hatte. Er selber mußte dort wohl ausziehen, weil nicht so gerne gesehen wurde, daß er den ganzen Tag auf der Gitarre übt.

Was er nun wirklich hier in Oaxaca macht, habe ich nicht so recht herausfinden können. Er sagte etwas davon, daß das Haus in dem er in Amiland wohnt gerade saniert wird. Klar, was kann man da besseres tun, als sich ein warmes Fleckchen in Mexiko zu suchen und hier zu überwintern? Letzteres war ja auch meine Intention.

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Genauso wenig wie ich, gibt er hier die klassische Travellerrolle. Vielmehr ist er die komplette Antithese dazu. Er hat sich fast noch gemütlicher eingerichtet, als ich. In seinem Zimmer gibt es einen kleinen Altar mit Räucherstäbchen und Buddhabildern. Am Regal hängen frisch gebügelte Jeans und Hemden. Ja, er ist wohl der einzige Traveller, den ich je seine Hosen und Hemden habe bügeln sehen.

Hin und wieder schmeißt er sich dann in Schale, zieht die Cowboystiefel, frisch gebügelte Jeans und eines seiner verschärft aussehenden Hemden an, setzt seinen Hut auf und verläßt die Gitarre geschultert das Hostal. Meistens sitzt er aber an dem kleinen Tisch vor seinem Zimmer, auf dem er jeden Morgen mit viel Sorgfalt einen frischen Strauß Blumen arrangiert. Mit Kopfhöhrern in den Ohren übt er dann stundenlang auf seiner Klampfe.

21
Jan
2008

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Habe mich heute Abend mit Paola getroffen, einer Studentin, die Deutsch sprechen möchte. Den Kontakt hat mir Ariadna besorgt, als ich sie nach jemandem für ein Intercambio fragte.

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Paola hat ein halbes Jahr in der Schweiz eine Sprachschule besucht und hier in Oaxaca drei Semester an der Fremdsprachenfakultät studiert. Dafür war ihr Deutsch noch recht dünn. Ich würde jetzt mal ganz frech behaupten, kaum besser als mein Spanisch. Aber das stimmt sicher nicht. Ihr fehlt nur die Sprachpraxis. Und irgendwie hatte sie noch Hemmungen, einfach drauf los zu plappern, so wie ich. Aber daran werden wir jetzt arbeiten.

Ich mußte sie schon fast dazu zwingen, mit mir Deutsch zu reden. Wir waren nämlich sofort in der schönsten Plauderei auf Spanisch drin und wären dabei auch geblieben, hätte ich nicht interveniert. Eigentlich dumm von mir, aber Sinn und Zweck eines Intercambios ist ja, daß beide Seiten Praxis in der jeweils anderen Sprache bekommen..

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Im Laufe des Gespräches stellte sich heraus, daß Paola, bevor sie am Nachmittag zur Uni geht, mit Straßenkindern arbeitet. In ihrem Falle heißt das, mit Kindern die zwar eine Familie haben, aber neben der Schule arbeiten müssen. Paola hilft ihnen bei den Hausaufgaben und leitet Geld an sie weiter, daß die Organisation, für welche sie tätig ist, von wohlhabenden Oaxaceños erhält. Das klingt spannend und ich habe sie auch gleich gefragt, ob ich mal mit ihr mitkommen könnte auf ihre Arbeit.

Erst mal ist aber weiter unterhalten angesagt. Wir wollen uns am Freitag Abend treffen und ein wenig Musik hören. Paola denkt, sie würde schneller Deutsch lernen, wenn sie mehr Deutsche Bands hört. Das wage ich zwar zu bezweifeln, aber von mir aus. Wozu habe ich denn mein komplettes CD-Regal als mp3 mitgeschleppt. Und da sie weder „Ärzte“ und „Tote Hosen“ noch „Mia“ und „Wir sind Helden“ kannte, gibt es da eine ganze Menge nachzuholen.

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Obwohl ich mich mit Paola wirklich prächtig unterhalten habe – ich bin mir nicht sicher, ob sie extra für mich so deutlich gesprochen hat, aber ich hatte kaum Probleme sie zu verstehen – glaube ich, daß ich doch noch einige Defizite in Punkte Grammatik habe. Das Subjunctivo scheint nun doch nicht ganz so unwichtig zu sein, wie ich bislang annahm. Und so wirklich selbsterklärend ist es leider auch nicht. Habe deshalb Anna-Maria heute früh gebeten, doch ein paar Grammatikeinheiten einzuschieben. Die Geschichtsstunde muß jetzt erst einmal etwas hinten anstehen.

19
Jan
2008

...

Es was Samstag und somit hatte ich keinen Spanischunterricht. Wollte den Tag nutzen, noch ein paar Dinge zu regeln, endlich mein Zimmer bis Ende des Monats bezahlen und eine Telefonkarte kaufen, damit ich hier auch erreichbar war. Und vor allem wollte ich eine Karte für Panteón Rococó besorgen, die am Abend spielen sollten. Panteón Rococó hatten zwar schon des öfteren in Berlin gespielt, ich habe es allerdings nie geschafft hinzugehen. Nun wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, wenn auch zwanzig Dollar für das Ticket nicht gerade günstig waren. Als ich in der Farmacía del Ahorro nach den Karten fragte – hatte da ja so meine Zweifel, ob ich das richtig verstanden hatte. Wer kauft schon Karten für ein Rockkonzert in der Apotheke? – war man keineswegs erstaunt. Man schickte mich nur in einer anderen Filiale, ein paar Blocks weiter in Richtung Zocalo. Die Karten gab es nur dort.

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Das Konzert sollte an einem Ort mit dem Namen „La Monumental del Tule“ stattfinden. Tule selbst ist ein Dorf ein paar Kilometer außerhalb von Oaxaca. Mir war aber nicht ganz klar, ob das Konzert in diesem Tule sein würde. Alle die ich fragte meinten, ich solle dorthin fahren, auch wenn niemand wußte was das „Monumental“ sei. So machte ich mich kurz nach sieben auf den Weg. Das Konzert sollte um acht beginnen. Dachte mir, es wird reichen eine Stunde vorher loszufahren, selbst wenn man hier in Mexiko pünktlich anfangen sollte.

Der Bus nach Tule sollte vor dem Zweite-Klasse-Busterminal abfahren. Als ich dieses erreichte, kam auch gleich einer vorbei, in den ich hinein sprang. Das klappte ja bestens, dachte ich. Ich hatte allerdings nicht mit dem etwas anders funktionierenden Nahverkehr in Mexiko gerechnet. Der Bus brauchte mehr als zehn Minuten um wirklich los zu fahren. Im Schritttempo schlich er am Terminal vorbei, währen ein extra vom Fahrer angeheuerter Schreihals laut Tule ausrief. Nach und nach füllte sich der anfangs fast leere Bus.

Die Leute mit ihren riesigen Einkaufstaschen sahen allerdings nicht danach aus, als ob sie zu einem Rockkonzert wollten. Erst als wir fats aus der Stadt raus waren, stiegen ein paar Jugendliche ein, die auch zum Konzert wollten. Die schleppten mich dann auch mit zum „Monumental del Tule“.

Vor dem Gelände standen schwer bewaffnete Polizisten mit Sturmgewehren, schußsicheren Westen und Stahlhelmen ausgerüstet. Die erste Leibesvisitation nahm einer von ihnen noch vor dem Eingang vor. Gleich dahinter wurden wir noch einmal von der Securitiy des Veranstalters abgetastet. Bevor es dann endlich in die Arena ging, durchsuchte man jeden noch einmal.

Was ich von außen für eine große, runde Halle gehalten hatte, entpuppte sich beim Betreten als eine Stierkampfarena. Die Ränge waren schon gut gefüllt mit Konzertbesuchern. Viele hatte sich auch in der eigentlichen Arena versammelt. Ich begab mich auch dahin. Wer wollte schon bei einem Konzert sitzen. Ich war zum Tanzen hier.

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Ich weiß jetzt übrigens, daß auch in Mexiko Konzerte nicht pünktlich beginnen. Ganze zwei Biere durfte ich vor mich hin frieren, bis es los ging. Hier draußen war es empfindlich kühl. Das sollte sich aber von einer Minute auf die andere ändern. Panteón hatte kaum die ersten Takte gespielt, da brodelte es in der Arena. Alle sprangen wie wild durch das große Rund und ich mitten rein in die tobende Masse. Es dauerte keine zwei Songs, da mußte ich die Jacke ausziehen. Viele der mexikanischen Jungmänner tanzten sogar mit freiem Oberkörper. Die Stimmung war umwerfend. Es macht schon einen Unterschied, ob, wie ein Berlin, ein gutes Dutzend Latinos die Songs laut mitsingen oder mehrere tausend. Die Menge tobte und jubelten jedes Mal, wenn von der Bühne Solidaritätbekundungen mit Oaxaca kamen.

Ich war recht froh, daß ich einen guten Kopf größer bin als die meisten Mexikaner. Bei dem wilden Rumgespringe bekam ich so manches Mal einen Ellenbogen in die Rippen. Zu Hause wären da wohl meine Zähne in großer Gefahr gewesen. Als Panteón allerdings „Esta noche“ anstimmte, kam urplötzlich eine Faust aus der Menge geflogen und landete direkt auf meiner Nase. Aua, das tat wirkliche weh. Mir schossen Tränen in die Augen und ich mußte mich erst einmal aus dem Getümmel zurückziehen.

Das war aber alles nur halb so schlimm. Viel schlimmer war, daß die Arena mit Kies ausgestreut war. Kaum fingen die ersten an zu tanzen, erhob sich eine riesige Staubwolke. Man konnte zeitweise die Hand vor den Augen nicht sehen. Zum Ende des Konzertes waren alle mit einer dicken Staubschicht überzogen. Die an sich schwarzen Haare der Mexikaner sahen jetzt grau aus. Meine Klamotten mußten unbedingt am nächsten Morgen in die Wäsche. Und ich würde mir den bourgeoisen Luxus gönnen, meine Schuhe putzen lassen.

Eigentlich hatte ich Panteón für den Hauptakt gehalten. Als sie dann kurz nach elf mit der letzten Zugaben fertig waren, wollte aber niemand gehen. Auf der Bühne wurde fleißig umgebaut. Sollten doch noch Maldita Vecindad spielen, die ich schon als verpaßt abgeschrieben hatte? Eine halbe Stunde später standen sie auf der Bühne und die Arena tobte noch mehr als zuvor. Es gab keinen Ort mehr, an dem man vor herum springenden Tänzern sicher war.

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Gegen eins war dann Schluß und die Massen strömten raus auf die Straße, zu ihren Autos. Alle schienen sie mit der eigenen Karre gekommen zu sein. Deshalb waren auch so wenige Konzertbesucher im Bus gewesen. Nur wie würde ich denn nun zurückkommen? Busse waren weit und breit nicht zu sehen. Zum Glück war ich nicht der einzige mit diesem Problem. Eine ebenfalls vergeblich auf den Bus wartende Gruppe Mexikaner hielt einen Pickup an und als es hieß man führe in Richtung Zentrum, schwang ich mich zu ihnen auf die Ladefläche.

So ganz stimmte das mit dem Zentrum nicht. Wir sprangen auf einer großen Straße ab, an der ein Schild Richtung Zentrum wies. Von hier war es noch gut eine halbe Stunde Fußmarsch durch fast menschenleere Straßen. Um so mehr ich mich dem Zocalo näherte, um so belebter wurden diese allerdings. Vor vielen Comedores standen noch Stühle, manche von ihnen waren sogar noch brechend voll.

Obwohl ich nur fünf Biere getrunken hatte, mußte ich schon ein wenig aufpassen bei meiner nächtlichen Wanderung. Das lag weniger am Alkohol, auch in diesem Punkt bin ich hier endlich angekommen, sondern viel mehr an den Straßenverhältnissen und den anderen Verkehrsteilnehmern. Immer wieder mußte ich riesigen Löcher im Gehweg ausweichen. Es scheint auch ein alter Brauch in Oaxaca zu sein, die Straßenlaternen einfach verschwinden zu lassen. Was allerdings bleibt, sind ca. zehn bis fünfzehn Zentimeter aus dem Boden ragende Bolzen, über die man wunderbar stolpern kann.

Als ich schon fast das Hostal erreicht hatte, hörte ich es plötzlich laut knallen. Ein aus einer Seitenstraße kommender Wagen hatte einen auf der Independencia fahrenden Käfer gerammt. Letztere drehte sich ein wenig, blieb stehen und fuhr dann mit total eingedrückter Seite weiter. Der Fahrer des anderen Autos sammelte seinen abgerissenen Bugspoiler ein und verstaute.ihn auf dem Rücksitz. Dann fuhr auch er weiter. Wer Schuld war an dem Unfall, schien hier niemanden weiter zu interessieren.
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