16
Feb
2008

...

Der Austausch der Email-Adressen auf der Demo letzte Woche hatte offensichtlich geklappt. Am Freitag bekam ich eine Nachricht mit Zeit und Ort des nächsten Treffens der Demo-Organisatoren. Bin da auch voller Erwartung hingegangen und am Ende etwas frustriert wieder losgezogen. Stelle mir nun die Frage, warum es mir immer noch so schwer fällt, mich hier einzuklinken.

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In der Mail hieß es, daß man sich um zehn in einem der Viertel nördlich der Altstadt treffen würde. Auf der Karte sah es nicht weit aus, also machte ich mich zu Fuß auf den Weg. Leider war mein Stadtplan nicht der beste. Auf dem Weg dahin habe ich mich verlaufen und brauchte letztendlich fast doppelt so lange, wie ursprünglich gedacht. Als ich endlich ankam, war es bereits gut jenseits von elf. Und trotzdem war ich einer der ersten. Außer mir waren noch zwei, drei Mexikaner und Oliver aus Montreal da.

Mit letzterem kam ich sofort ins Gespräch, welches nach ein paar spanischen Sätzen auf Englisch weiter geführt wurde. Oliver hatte schon länger Kontakt zum Movimiento, der politischen Bewegung in Oaxaca und kannte auch einige der Anwesenden ganz gut. Von diesem Treffen, meinte er, sollte ich nicht allzu viel erwarten. Die Gruppe sei gerade dabei sich zu formieren. Und deshalb würden wohl zum größten Teil organisatorische Fragen die Versammlung bestimmen.

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Und so war es dann auch. Als es kurz nach zwölf endlich los ging – mittlerweile waren ein gutes Dutzend Leute gekommen – wurde die Demo der Vorwoche ausgewertet und Orgakram besprochen. Das war nicht wirklich spannend für mich. Interessanter dagegen war die Diskussion um das Manifest, welches die Ziele und Arbeitsweise der Gruppe definieren sollte. Es fiel mir aber ziemlich schwer, der Debatte zu folgen. Ich verstand nur zum Teil, worüber die Leute redeten und konnte mich überhaupt nicht dazu äußern. Habe nach zwei Stunden meine Sachen geschnappt und bin gegangen. Es machte einfach keinen Sinn, hier weiter stumm wie ein Fisch herum zu sitzen.

Liegt's nur am Spanisch allein

Ein bisschen verloren hatte ich mich auf der Versammlung aber auch gefühlt. Keiner schien sich so recht dafür zu interessieren wer ich war und was ich hier wollte. Ich wurde zwar von allen mit Handschlag begrüßt. Das war es dann aber auch.
Ich denke aber, daß es trotzdem in erster Linie an meinen mangelnden Sprachkenntnissen lag, daß ich mir deplatziert vorkam. Hätte ich mich besser ausdrücken können, wäre ich von selber auf die Leute zugegangen. Aber außerhalb der Unterrichtsstunden eine politische Diskussion zu führen fällt mir nicht leicht, genauso wenig, wie mich bei lauter Musik in einem Klub auf Spanisch zu unterhalten. Sicher bin ich da zu ungeduldig, aber das frustriert mich dann dermaßen, daß ich am Ende ganz verstumme.

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Vielleicht verhindert aber auch das Schreiben an diesem Blog, daß ich mich wirklich auf Mexiko einlassen kann. Es hilft mir zwar über meine Erlebnisse noch einmal intensiv nachzudenken.
Aber ich habe den Eindruck, immer noch alles mit dem Blick von außen zu betrachten. Und ich schreibe auf Deutsch, was meinen Fortschritten beim Spanisch lernen sicher auch im Weg steht.

Mein Kurs an der Uni geht noch bis Ende nächster Woche. Danach fahre ich für ein paar Tage in die Berge. Werde dort oben darüber nachdenken, was ich nun wirklich hier will und wie es weiter gehen soll.

14
Feb
2008

...

Ich dachte immer der Valentinstag sei so eine Amierfindung, die uns von geschäftstüchtigen Blumenhändlern auch in Deutschland schmackhaft gemacht werden soll. Da habe ich mich wohl ein wenig getäuscht. Auch hier in Mexiko wird der Tag gefeiert und das nicht zu wenig. Ich habe mich erst ein wenig von der Stimmung einfangen lassen, um dann zu einer Valentinsparty ganz anderer Art zu gehen.

Als ich gegen elf in die Uni kam, saßen im Computerraum alle Lehrer und ausländischen Studenten zusammen, schlürften Coke und aßen Kuchen. Darien lud mir sogleich ein Stück auf einen Teller und reichte es rüber. Als ich fragte, was denn der Anlaß für die kleine Party sei, ob er vielleicht Geburtstag habe, antwortete er leicht irritiert, daß doch Valentinstag sei. Als ob ich das nicht wüßte. Es war schwer zu ignorieren, denn hier in Mexiko redete man seit Tagen von nichts anderem mehr im Fernsehen. Ich hielt das ganze allerdings für eine der üblichen Werbeaktionen, mit denen irgendein neumodischer Feiertag gehyped werden sollte.

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Das kann aber nur zum Teil zutreffen. Für die Mexikaner scheint Sankt Valentin schon ein wichtiger Tag zu sein. Am Abend gab es auf dem Platz vor Santo Domingo ein dem Tag gewidmetes Konzert. Eine Gruppe Studenten trat in traditionellen Kostümen auf und sang romantische Lieder. Angekündigt wurden die Sänger von einer Studentin mit einer glühenden Lobeshymne auf die Liebe und das Bohemeleben.

Am Valentinstag ist es hier wichtig seine Freundin nicht nur zum essen auszuführen, sondern ihr auch etwas zu schenken. Und je größer das Geschenk, desto größer der Liebesbeweis. Und so sah man den ganzen Tag Mädels durch die Straßen spazieren, die neben Blumensträußen zum Teil riesige Lufballonherzen mit sich herum schleppten.

Darien war dann auch ein wenig traurig, daß er keine Freundin hatte, mit der er ausgehen konnte. An einem solchen Tag ohne Braut zu sein, hat ihn schon frustriert. Seine mexikanische „Mama“ zog ihn damit dann auch noch auf, was die Sache auch nicht gerade besser machte.

¿Odias San Valentin?

Nun gut, eine mexikanische Freundin hatte ich auch nicht. Das hieß aber noch lange nicht, daß ich Trübsal blasend zu Hause sitzen mußte. Es gab ja noch Läden wie die „Embajada“, welche für kulturlose Gesellen wie mich „Fuck-the-Valentines-Day-Parties“ veranstalteten. Darauf machten sie übrigens mit einer erstklassigen Plakataktion aufmerksam. Einen Tag zuvor tauchten überall in der Stadt verschiedene A4-große Poster auf. Auf ihnen gab es dem Anlaß gewidmete Bilder zu sehen, zum Beispiel einen Typen, der seine Frau ohrfeigte oder Amor, der mit einem Pfeil im Rücken tot auf der Straße lag. Ein weiteres zeigte Prince Charles und Lady Di beim Hochtzeitskuß. Man hatte offensichtlich einen gewissen Sinn für's Makabere in dem Schuppen. Das gefiel mir.

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Wollte später am Abend mit Sam und Tomas, zwei partyerprobten Engländern, dort hin gehen. Zuvor haben wir uns aber bei Sam aufs Dach gesetzt, ein paar Bierchen getrunken und die Aussicht genossen. Sam hat mit einer Freundin zusammen ein Haus im Zentrum Oaxacas gemietet, keine vier Blocks entfernt von Santo Domingo. Von seinem Dach aus hat man einen umwerfenden Blick über die ganze Stadt und nach Einbruch der Dunkelheit strahlt einem Santo Domingo von tausend Lampen erleuchtet entgegen.

Auch wenn viele Leute mit Geld in eines der schickeren Viertel etwas außerhalb ziehen, kann ich mir kaum einen besseren Platz zum Wohnen in Oaxaca vorstellen, als das Zentrum. Nicht nur, daß sich hier die ganzen Klubs und guten Kneipen befinden, das Zentrum, mit seinen Altbauten, hat einen Charme, mit dem die neueren Viertel einfach nicht mithalten können.

12
Feb
2008

...

Nach einer durchgemachten Nacht schlafe ich immer wie ein Baby. Da können sogar die Wände wackeln und ich wache nicht auf. Außer dem kleinen Erdbeben heute früh ist nichts weiter aufregendes passiert. Möchte deshalb ein wenig aus meinem Alltag und von Beobachtungen in der Stadt berichten.

Es ist kaum zu glauben, heute früh gab es ein Erdbeben und ich habe nichts mitbekommen. Ich habe es im wahrsten Sinne des Wortes verschlafen. Erst in der Uni erfuhr ich davon. Tomas und Darien erzählten, daß sie kurz vor sieben aufgewacht sind, weil ihre Betten sich zitterten. Als ich das hörte fiel mir ein, daß auch ich eine ganze Weile bevor ich dann endlich aufstand mal kurz aufgewacht bin. Da ich aber die Nacht zuvor ziemlich lange in einer Bar saß, sah ich keine Veranlassung aufzustehen, drehte mich um und schlief weiter. An tanzende Betten und wackelnde Wände kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern.

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Christina ist católica, wie man an ihrer Wohnzimmerdeko sehen kann. Kleine Altare gibt es in fast allen Haushalten.

Das ist schon erstaunlich, denn das ganze Theater muß fast eine Minute gedauert haben. Und das Beben soll auch ziemlich stark gewesen sein. Hier in Oaxaca ist allerdings nichts weiter passiert. Das liegt wohl vor allem daran, weil das Epizentrum ein ganzes Stück entfernt im Chiapas lag.

Hausmannskost

Ich gehe in letzter Zeit immer seltener mittags auf einem der Märkte essen. Nicht, daß es mir dort nicht mehr schmecken würde. Aber genau gegenüber von wo ich wohne, gibt es einen richtig guten Comedor. Eigentlich ist das gar kein richtiges Restaurant. Ich habe vielmehr den Eindruck, mit bei der Familie zu essen. Der kleine Laden, in dem neben drei, vier Tischen ein Fernseher steht, vor dem oft die Kinder abhängen, befindet sich gleich neben dem Flur, von dem auch die anderen Zimmer des Hauses abgehen. Gekocht wird irgendwo am Ende des Flurs in den Tiefen des Hauses.

Mittlerweile kennt man mich hier. Jedes Mal wenn ich reinkomme, werden mir sofort alle vegetarischen Gerichte des Tages aufgezählt. Und da gibt es immer wieder etwas neues zu probieren. Vor kurzem zum Beispiel Minikürbisse, die ausgehöhlt, mit Gemüse und Käse gefüllt und dann gedünstet worden waren. Oberlecker, kann ich nur sagen. Wenn ich hier weiterhin regelmäßig essen gehe, lerne ich nach und nach die komplette mexikanische Küche kennen.

Kakao

Streift man über Oaxacas Märkte, steigt einem immer wieder ein intensiver Geruch nach Kakao in die Nase. Dieser wird fast unerträglich, wenn man den Laden erreicht, wo die Kakaobohnen gemahlen wird. Dort riecht es wie aus einer frisch geöffneten Packung Kakao, nur viel, viel stärker. Es könnte einem fast schwindlig davon werden.

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Anna erzählte, daß viele Mexikaner morgens an Stelle von Kaffee Kakao trinken. Letzterer soll genauso, wenn nicht stärker, aufmunternd wirken aber gesünder sein. Habe mir vor einigen Tagen auch ein Pfund gekauft. Es sieht aus wie ein großer Klumpen Schokolade, ist aber kristallin und hart wie Stein. Eigentlich löst man Stücke davon, wie Trinkschokolade, in heißem Wasser oder Milch auf. Ich werfe mir gelegentlich etwas in den Kaffee, schiebe mir allerdings dann doch den größten Teil einfach so hinein.

Siesta ist wichtig

Als wir im Unterricht, so zwischen zwölf und eins, wieder einmal leicht geistesabwesend mit den Augen rollten, meinte Anna, daß es für diesen Zustand einen Begriff in Mexiko gebe. Ich habe ihn leider schon wieder vergessen. Sie erwähnte auch, daß diese Müdigkeit in dem hiesigen Klima ganz normal sei. Noch schlimmer ist sie kurz nach dem Mittagessen, wenn man unbedingt eine längere Pause einlegen muß. Da fiel mir ein, daß die Uni kurz nach eins immer wie ausgestorben wirkt. Als ich aber vor kurzem mal am Abend vorbei schaute, war man dort voll am wirbeln.

Bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob das mit der Müdigkeit allein nur am Klima liegt. Auch zu Hause kann ich sehr gut früh am Morgen arbeiten und dann erst wieder später am Abend. Tagsüber sitze ich lieber in einem Café oder treibe mich sonstwie draußen rum. Am Schreibtisch zu sitzen ist mir dann eine Qual. Vom Tagesablauf würde ich also schon mal ganz gut nach Mexiko passen.
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