10
Feb
2008

...

Wasser gab es wieder, aber nur kaltes. Kein Problem, das sich nicht in kürzester Zeit lösen ließe. Am Wochenende habe ich die Kamera kaum aus der Hand gelegt. Der Samstag war dem Sport gewidmet und der Sonntag der Politik.

Das Wasserproblem hatte sich gelöst, nur duschen konnte man immer noch nicht. Es sei denn, man wollte dies mit dem eiskalten Wasser aus dem Tank tun. Der Boiler hatte nämlich mittlerweile seinen Geist aufgegeben und ließ sich nicht mehr anwerfen. Da mir Christina gerade über den Weg lief, sprach ich sie wegen des Boilerproblems an. Sie griff beherzt zu einem Messer und fummelte am Einstellknopf rum. Das half nicht wirklich. Deshalb schickte sie später jemanden vorbei, der sich der Sache annehmen sollte.

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Nur hatte der Typ genauso viel Ahnung von Gasgeräten, wie sie und ich. Nichts desto Trotz versuchte er mit einem Schraubenzieher den bockigen Knopf vom Regler zu hebeln. Irgendwann gelang ihm das auch. Nur war damit das Problem nicht gelöst. Nach und nach zerlegte er die komplette Steuereinheit des Boilers und fing letztendlich auch noch an, an den Gasrohren rumzuschrauben. Das war mir dann doch etwas zu viel und ich ich zog es vor, nicht weiter zu zuschauen. Ich weiß deshalb auch nicht, wie er es geschafft hat. Aber eine gute Stunde später funktionierte dar Boiler wieder.

Fußball am Fluß

Von Anna hatte ich erfahren, daß es entlang des Flusses eine Reihe von Sportplätzen gibt. Ist mir gar nicht aufgefallen bei meiner nächtlichen Wanderung vom Busbahnhof zum Hostal vor vier Wochen. Aber gut zu wissen. Denn ich habe ein Langzeitprojekt. In allen Ländern die ich bereise, mache ich Bilder von Freizeitkickern. Das ganze fing vor knapp vier Jahren an, als ich für die EM-Berichterstattung der Jungen Welt mich auf Berliner Bolzplätzen rumtrieb. Hatte an der Sache solchen Gefallen gefunden, daß ich beschloß, weiter zu machen. Sobald ich irgendwo hinkomme, halte ich Augen und Ohren offen, um heraus zu finden, wo zum Zeitvertreib gekickt wird. So kam schon eine ganz stattliche Sammlung mit Bildern von den Tepuis in Venezuela, vom Galata-Turm in Istanbul, der Promenade am Río de la Plata in Montevideo und den Inseln Südthailands zusammen.

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Die Plätze entlang des Flusses in Oaxaca hatten, wie all die anderen auch, so ihre Tücken. Da man sie nicht wie in Deutschland mit meterhohen Zäunen umgeben hatte, flog der Ball nicht selten ins Aus. Und meistens landete er dann mitten im Fluß. Zum Glück führte dieser kaum Wasser, so daß die Aufgabe eher darin bestand, den Ball zwischen den Ziegen im hohen Gras zu suchen, als ihn aus dem Wasser zu fischen.

Kunst und Politik

Nicht weit von den Bolzplätzen war der Treffpunkt für die Demo. Auf dem Plakat hatte es gehießen, daß sie um zehn am „Monumento a la madre“ starten sollte. Was für eine unchristliche Zeit an einem Sonntag. Aber konnte man auch etwas anderes erwarten von diesen Anarchisten?

Als ich zwanzig nach zehn endlich das Denkmal gefunden hatte, waren da kaum ein Dutzend Leute. Und man wird es kaum glauben, mehr als die Hälfte von ihnen waren Ausländer. Nach und nach trudelten weiter Demonstranten ein, sowohl Bleichgesichter wie ich, als auch Einheimische. Das Verhältnis begann sich langsam zu Gunsten letzterer zu verschieben.

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Eine gute Stunde später war dann offensichtlich die kritische Masse – es waren wohl noch nicht einmal hundert - erreicht und wir konnten losmarschieren. Zuvor verhüllten aber noch einige der Anwesenden ihr Gesicht und zogen Spraydosen aus dem Rucksäcken. Entlang der Demostrecke wurden dann so manche Wand, aber auch ein Bus – letzterer war insofern eine gute Wahl, da es wieder einmal um die Fahrpreiserhöhungen ging – mit Graffitis und Sprüchen verziert.

Eigentlich war die Demo eine ideale Möglichkeit, Leute kennen zu lernen und etwas mehr über die politische Szene in Oaxaca zu erfahren. Aber irgendwie hatte ich Ladehemmungen, fühlte mich nicht so recht in der Lage, mit den Leuten auf Spanisch über ihre Aktivitäten zu reden. Also trabte ich die ganze Zeit eher beobachtend mit und fotografierte wie wild. Erst kurz vor dem Zocalo kam ich mit einem Fotografen ins Gespräch. Er war im wahren Leben Lehrer und jetzt mit einer Gruppe junger Künstler unterwegs, welche mit großen Schablonen Bilder und Sprüche auf Häuserwände sprühten. Durch ihn lernte ich die Organisatoren der Demo kennen. So beim Austausch der Mailadressen nichts schief gegangen ist, werde ich mich Ende nächster Woche mit ihnen treffen.l

8
Feb
2008

...

Es gab immer noch kein Wasser, was mich mittlerweile ziemlich abnervt. Einen Beinahe-Zusammenstoß auf dem Zocalo möchte ich zum Anlaß nehmen ein wenig über den Verkehr zu berichten.

War etwas abgeschlafft früh am Morgen. Kein Wunder, nach nur fünf Stunden Schlaf. Es gab immer noch kein Wasser und da überkam mich die Wut. Machte den Rechner an und schrieb den Text von gestern noch einmal um. Die kleinen Alltagsgeschichten können noch ein wenig warten. Mußte mich erst einmal etwas auskotzen über Christina und die Sache mit dem Wasser. Daß es keines gibt, ist schon blöd genug. Aber sie versprach vor zwei Tagen welches zu besorgen, von einer Nachbarin zu holen, damit man wenigstens das Klo spülen kann. Nichts geschah. Gestern früh meinte sie, es täte ihr Leid, sie hätte es vergessen. Ich solle ihr doch eine SMS schicken, damit sie am Nachmittag dran denkt. Tat ich auch. Nur passiert ist nichts.

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Die Heiligen von Jalatlaco.

Nach dem Schreiben war ich in solch einer Hochstimmung, daß ich mir die Kopfhöhrer in die Ohren stöpselte und laut Musik hörend zur Uni stiefelte. Bin fast wie in Trance durch die Straßen gerannt. Begegnete ich einem interessanten Motiv, riß ich ohne groß nachzudenken die Kamera hoch und drückte ab. Dabei kam mir eine Szene aus Michael Moores 9/11-Film in den Sinn. Darin berichteten junge GI's, wie sie mit dröhnender Musik durch den Irak düsen und um sich ballern. Der Vergleich hinkt vielleicht ein wenig, ich schoß ja nur mit meiner Kamera und hatte keine Knarre. Als mich aber auf dem Zocala so ein Idiot auf dem Motorrad fast über den Haufen fuhr, kam ganz kurz so ein Impuls auf, ihn aus dem Sattel pusten zu wollen. Ich frage mich, ob das mit der lauten Musik zusammenhängt, ob die wirklich so stark enthemmt.

Auf Oaxacas Straßen

Generell würde ich aber den Verkehr in Oaxaca als nicht sonderlich chaotisch bezeichnen. Die Autos halten auch hier an roten Ampeln, die Fußgänger dagegen nicht. Also fast wie zu Hause. Mir ist allerdings aufgefallen, daß langsamer und somit scheinbar vorsichtiger gefahren wird, als in Berlin. Ersteres liegt wohl daran, daß die Straßen relativ eng und deswegen nicht wirklich zum Rasen geeignet sind.

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Gewöhnungsbedürftig sind auch die Ampeln. Fast alle Straßen sind nämlich als Einbahnstraßen ausgeschilder und es gibt Ampeln für die Autos, je eine pro Fahrtrichtung. Als Fußgänger ist man ständig am suchen, um herauszufinden, wer nun eigentlich fahren oder gehen darf.

In Oaxaca sieht man nur wenig Fahrradfahrer. Kann ich aber auch irgendwie verstehen. Das holprige Kopfsteinpflaster und die Hügel laden nicht wirklich zum Radfahren ein. Allerdings fahren ziemlich viele Polizisten mit dem Rad rum, alle auf den gleichen schwarzen Mountainbikes und mit den gleichen blauen Fahrradhelmen. Sie wirken dabei schon fast komisch neben ihren schwer bewaffneten Kollegen mit den Stahlhelmen.

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Eine Sache habe ich hier auf den Straßen gesehen, die ich mir in Deutschland so überhaupt nicht vorstellen kann. Wie zu Hause kleben sich einige Leute die Scheiben mit getönter Folie ab. Habe allerdings einige Taxis rumkutschen gesehen, bei denen das nicht nur auf die Seiten- und Heckscheiben zutraf. Außer einem kleinen Sehschlitz war bei ihnen auch die komplette Frontscheibe zugeklebt. Denen möchte ich nicht unbedingt im Dunkeln begegnen.

Und noch mal das liebe Wasser

Am Abend begegnete ich Christina auf der Straße und sprach sie noch einmal wegen des Wassers an. Sie war ganz erstaunt und meinte, sie hätte sich gekümmert. Im Bad stehe jetzt eine Tonne, aus der man Wasser fürs Klo schöpfen kann. Am nächsten Morgen wolle sie dafür sorgen, daß diese wieder aufgefüllt wird. Das war dann nicht mehr nötig. Noch im Bett liegend hörte ich ein Gurgeln und Rauschen. Als ich später den Wasserhahn aufdrehte, sprudelte es mir munter entgegen. Offensichtlich hatte man gerade den Tank wieder aufgefüllt. Mal sehen, wie lange das jetzt reichen wird.

7
Feb
2008

...

Im Zentrum der Stadt gibt es notorische Wasserknappheit und wir sitzen seit Tagen auf dem Trocknen. Das nervt auf die Dauer und war dann auch der Grund dafür, daß meine Mitbewohnerinnen ausziehen. Da ich nicht die Abende allein vor der Glotze verbringen möchte, studiere ich jetzt intensiv Oaxacas Nachtleben.

Das war der dritte Tag in Folge ohne Wasser. Mit der Zeit ist da nicht mehr wirklich lustig. Nicht nur, daß ich nach einer durchgetanzten Nacht ganz gerne duschen würde, auch der Abwasch stapelt sich im Spülbecken, ganz zu schweigen vom Klo, das man ja auch nicht mehr spülen kann.

Ich weiß nicht, wie Christina damit umgeht, glaube aber, daß sie zu ihrer Schwester duschen geht. Als wir sie auf die Situation hin ansprachen, wich sie aus, meinte, das liege an der schlechten Wasserversorgung im Zentrum der Stadt. Nur gäbe es eine einfache Lösung für das Problem. Man müsse einen „pipa“ (eigentlich Leitung, Rohr) bestellen. Dann würde einer der Tanklaster außer der Reihe kommen und den Wassertank wieder auffüllen.

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Allerdings müsse man dafür löhnen und Christina würde eine „pipa“ nur bestellen, wenn wir uns die Kosten teilen. Die beiden Mädels sahen das nicht ein und lehnten dankend ab. Ist ja auch nicht mehr ihr Problem. Vanessa ist am Mittwoch, wie sie sagte wegen genau dieses Problems, ausgezogen. Und Monika wird nächste Woche in die Staaten zurückkehren. Habe sie allerdings seit Mittwoch auch nicht mehr gesehen. Sie wird wohl ihre letzten Tage in Oaxaca in der neuen Wohnung von Vanessa verbringen. Das war's dann wohl mit dem WG-Leben. Vorteil der Geschichte, die nächste Wasserlieferung wird hoffentlich eine Woche reichen. Wir sind jetzt nur noch zu zweit. Und Christina ist so gut wie nie zu Hause.

Nachtleben

Um nun nicht ganz in der Bude zu versauern, ziehe ich meistens abends noch einmal los. Oaxaca hat ein reges Nachtleben. Fast jeden Abend kann man irgendwo etwas erleben. Dienstags bin ich in „La Tentación“, wo jedes Mal die selbe Band die Latino-Skagrößen covert. Da kann man schön abtanzen.

Im „Centro Cultural de Pochote“ gibt es von Dienstag bis Sonntag jeden Abend zwei kostenlose Filmvorführungen. Leider sind die für meinen Geschmack etwas früh angesetzt, um sechs und um acht. Mittwochs und donnerstags gehe ich ins „Café Central“. Am Mittwoch gibt es da einen Film zu angenehm vorgerückter Stunde, nämlich um halb zehn. Und am Donnerstag spielen hier stets wechselnde Bands. Da braucht man zum Glück nicht vor elf aufkreuzen.

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Diesmal gab es eine Gruppe aus Veracruz, die eher traditionelle Musik machte. Neben zwei Geigen, einem E-Baß und Trommeln spielten drei der Leute sehr hoch gestimmte Minigitarren, welche nicht viel größer als eine Bratsche waren. Die Musik war für meinen Geschmack etwas eintönig und definitiv nichts zum Tanzen. Das Publikum ist aber richtig mitgegangen und fast ausgerastet, wenn eine der Gitarrenspielerinnen steppte und dabei den Rock fliegen ließ.

So richtig ab ging die Party, als nach dem Konzert aufgelegt wurde. Zu meinem Bedauern gab es vorwiegend Latinomucke, Cumbia, Salsa und solche Sachen. Die Mexikaner schien das keineswegs zu stören. Wie wild und ohne Hemmungen schleuderten sie die Mädels rum. Katharina, eine schöne große blonde Frau aus Köln, hatte immer zwei, drei um einen Kopf kleinere Verehrer um sich herum zu springen.
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