9
Jan
2008

JFK for one night

Obwohl ich noch lange mit Freunden im Krüger gesessen hatte, war ich ziemlich früh wach. Das konnte mir aber nur recht sein. Ich hatte somit Zeit, mir noch einen B-Plan für die Ankunft in Mexico City -ich wollte ursprünglich noch in der selben Nacht mit dem Bus nach Oaxaca weiter fahren- zu überlegen. Ich nutzte sie, um ein paar Hostels im Netz zu recherchieren. Als auch das geschafft war brach ich für mein Dafürhalten recht zeitig, gut zwei Stunden vor Abflug der Maschine zum Flughafen auf, um mir dort eine halbe Stunde später anhören zu müssen, daß man bei Flügen in die Staaten zwei bis drei Stunden vor Abflug da sein sollte.

Na das fing ja schon schön an. Geschafft habe ich den Flieger aber trotzdem. Nur das war fast das letzte was ich an diesem Tag geschafft habe. Eine Umsteigezeit von zwei Stunden war für New York knapp bemessen, wenn man bedenkt, daß jeder dort den kompletten Immigrationsprozeß durchlaufen muß, sein Gepäck einsammeln, durch den Zoll schleppen und hinterher wieder einchecken darf. Wie gesagt, knapp bemessen war die Umsteigezeit schon von Haus aus und dann kamen wir auch noch mit zwanzig Minuten Verspätung an. Ich ging das aber ganz entspannt an. Wenn die Delta mich nicht rechtzeitig an Bord bekommen würde, dann müssen sie mir halt ein Hotel spendieren. Davon ging ich zumindest aus. Schließlich war es ja nicht meine Schuld, daß die Umsteigezeit so kurz war und der Flug dann auch noch Verspätung hatte. Allerdings sah die Delta das ein klein wenig anders, als sie mich eine halbe Stunde vor Abflug von meinem Flug schmiß. Die Verspätung sei durch Air Traffic Control, die Flugsicherung, aufgrund der Wetterbedingungen verursacht worden. Damit hätte man nichts zu tun. Und daß die Umsteigezeit so knapp sei, hätte ich dem Reisebüro zu verdanken. Man wusch seine Hände in Unschuld und weigerte sich dann auch noch, mir ein Hotel zu bezahlen. Die Terminals 1 und 4 wären die ganze Nacht über geöffnet, hieß es. Dort könnte ich ja auf die nächste Maschine 17 Stunden später warten. Da half auch aller Protest nicht, man war maximal bereit, mir einen Rabatt auf den Hotelpreis zu gewähren, womit ich immer noch mit gut hundert bis zweihundert Dolar dabei wäre. Für einen solchen Preis nächtige ich dann auch mal bei den Amis auf dem Flughafen.

Plakat mit den Twintowers und US-Flagge

Nur daß JFK nicht wirklich dafür gemacht ist, seine Zeit dort angenehm zu verbringen. Im Terminal Four gab es zwar eine Reihe von Fast Food Läden und ein, zwei Restaurants mit vernünftigen Sitzgelegenheiten, aber davon abgesehen konnte man sich nur auf eiskalten, z.T. runden Steinbänken niederlassen. Im Terminal One waren die Sitze zwar gepolstert und es gab sogar einen großen Sitzbereich mit Steckdosen für Laptop oder Handy. Als ich mich dort dann niedergelassen hatte, hieß es auf einmal, daß dieses Terminal um ein Uhr nachts schließe. Soviel zur Glaubwürdigkeit der Auskünfte, die man hier so vom Personal bekommt.

Zurück im Terminal 4 bette ich mich, wie viele andere auch, auf dem ebenfalls kalten Boden, da man sich da wenigstens ausstrecken konnte. Irgendwie erinnerte mich die Situation an ähnliche Nächte auf den Flughäfen von Delhi und Bombay. In dieses Bild paßte auch mein Schlafnachbar, der gerade vom Verwandtenbesuch in Madras zu seinem IT-Job in Washington D.C. zurück kehrte und ebenfalls hängen geblieben war. Überhaupt hatte ich nur sehr bedingt den Eindruck mich in den USA zu befinden. Der Flughafen glich einem Umschlagplatz für Menschen aller Herren Länder und Hautfarben. Nun gut, das mag bei einer Stadt wie New York nicht wirklich verwundern. Aber auch das Flughafenpersonal bestand nur zum kleineren Teil aus Nachkommen europäischer Einwanderer. Latinas wischten die polierten Steinböden und Asiaten lehrten die Mülleimer in den Abfertigungshallen. Schwarze kümmerten sich um das Gepäck und wiesen freundlich aber bestimmt meine Forderungen zurück. Inderinnen bedienten hinter den Countern der Fast-Food-Ketten und Zeitungsläden. Multikulti im Dienstleistungssektor.

8
Jan
2008

Berlin - Vorabgedanken

Ich wage zu behaupten, das Jahr 2007 war das beschissenste meines Lebens. Nicht selten wünschte ich mir, ich könnte es komplett streichen, ungelebt machen.

Als es mir Anfang Oktober mal wieder so richtig dreckig ging, ich mich all meiner Rückzugsmöglichkeiten beraubt fühlte, sah ich nur einen Weg aus der Misere rauszukommen. Ich mußte weg aus Berlin, mußte das was mich quälte hinter mir lassen, weit hinter mir lassen. Binnen weniger Tage hatte ich einen Flug nach Mexiko gebucht.

Nur war Reisen wirklich das, was mir helfen konnte? Würden das Sammeln neuer Eindrücke nicht nur kurzzeitige Ablenkung bedeuten? Durch die Welt reise ich seit nunmehr über fünfzehn Jahren. Aus dem Rucksack leben und an fremden Orten mich zurecht finden fällt mir nicht schwer und stellt schon lange keine wirkliche Herausforderung mehr dar. Was ich eigentlich brauchte war weniger eine Auszeit sondern vielmehr eine neue Herausforderung. Mir wurde klar, daß ich die Flucht nach vorne wagen mußte und nicht den Rückzug auf Vertrautes antreten sollte. Deshalb beschloß ich, nicht wiederrumzureisen, sondern diesmal an einem Ort zu bleiben und mich auf das Leben dort einzulassen, mich mit der Kamera den sozialen Konflikten vor Ort zu widmen, etwas was ich auch in Berlin schon angegangen bin, das konsequent zu verfolgen mir aber im letzten Jahr die Kraft fehlte.

Von Anfang an war mir klar, daß, wenn ich mich nun schon intensiv mit einer Region, einer Stadt auseinander setzen werde, ich über das Erlebte auch schreiben muß. Umso intensiver ich über mein Vorhaben nachdachte, umso mehr Dinge fielen mir ein, die ich noch brauchte, um arbeitsfähig zu sein. Somit waren die letzten Wochen vor der Abreise damit angefüllt bei Ebay meinen Technikpool zu vervollständigen und ein Notebook, ein Aufnahmegerät, passend dazu ein Mikrofon und diverses Zubehör für die Fotoausrüstung zu ersteigern.

Die Ausrüstung ist das eine. Die Finanzierung eines dreimonatigen Aufenthaltes eine ganz andere Geschichte. Ich hatte zwar im Sommer gut verdient, indem ich Touristen mit der Rickschah durch Berlin kutschierte, aber ausreichen würde das nicht, um ein viertel Jahr abzuhauen. Ob ich Bilder und Texte verkaufen kann, war erst einmal nicht sicher. Also begann ich mich nach anderen Jobs umzusehen, die ich "mitnehmen" konnte. Und natürlich wäre es eine große Entlastung, wenn jemand während meiner Abwesenheit die Miete übernehmen könnte. Mit der Suche nach Jobs und potentiellen Untermietern waren die letzten Wochen in Berlin gut ausgefüllt.

Und die Dinge fügten sich wie von selbst. Es fand sich jemand, der genau für die Zeit meiner Abwesenheit eine Bleibe ich Berlin brauchte. Und auch den Auftrag für die Gestaltung einer Webseite, einen Job, den man an jedem beliebigen Ort der Welt machen kann, so sich ein Internetanschluß findet, konnte ich an Land ziehen. Somit werde ich wohl nicht einmal ans Eingemachte gehen müssen, um mein Überwintern in wärmeren Gefilden zu finanzieren.

Denn auch darum geht es bei diesem Trip ein wenig. Es ist nämlich schon lange mein Plan, während der trüben Monate im Winter Berlin den Rücken kehren, um diese im sonnigen Süden zu verbringen. Nur stand immer die Frage im Raum, wie sich das auf die Reihe kriegen läßt, Job-technisch und finanziell. Bei Lichte betrachtet scheint das aber gar nicht so schwierig zu sein. Ich mußte bloß getreten werden, um den ersten Schritt zu wagen.

Obwohl ich schon seit Wochen mit meinen Vorbereitungen beschäftigt war, gab es auf die letzten Tage, bevor der Flieger abhob, noch eine Menge zu tun. Ich rede jetzt nicht von den normalen Reisevorbereitungen. Sowas ist Routine und nimmt vielleicht einen halben Tag in Anspruch. Aber es macht schon ein Unterschied, ob man nur mit Zelt und Schlafsack unterwegs ist oder mit dem halben Büro. Da gab es einiges zu bedenken und nichts wäre wohl fataler gewesen, als irgendwo in der Pampa feststellen zu dürfen, daß man ein unscheinbares Kabel vergessen hat und den nun nutzlosen Technikschrott ganz umsonst spazieren getragen hat.

Und natürlich war da auch noch die Sache mit der Wohnung. Ich hatte zwar nicht vor, richtig auszuziehen, aber damit sich jemand anderes in ihr wohl fühlen konnte, mußten zumindest einige der Müllecken verschwinden, die über die Jahre entstanden sind. Das hätte ich eh schon längst mal angehen müssen, habe es aber immer wieder vor mich her geschoben. So richtig Zeit hatte ich jetzt dafür allerdings auch nicht, denn urplötzlich fiel mir ein, wieviele ich Leute vor meiner Abreise unbedingt noch einmal sehen mußte, weshalb ich die letzten Wochen fast jeden Abend unterwegs war, halbe Nächte auf Parties und in Kneipen rumhing. Das Ergibnis meiner Bemühungen läßt sich trotzdem sehen und ich bin erstaunt, wie aufgeräumt mein Domizil aussehen kann.

Ach übrigens, einer dieser Kneiptouren ist dieses Blog zu verdanken. Als ich im Anschluß noch auf einen Absacker in mein Stammlokal einritt, traf ich dort auf B. Er saß, wie gelegentlich, allein an der Bar und schrieb etwas in sein Notizbuch. Ich fragte, ob ich stören würde und schwang mich auf den Hocker neben ihm, als er unter der Bedingung verneinte, daß ich ihm die Zeit gäbe den Gedanken noch zu Ende zu Papier zu bringen. Dann entspann sich ein langes Gespräch über das, was ich in den nächsten Monaten vor hatte. B. meinte, ich solle nicht nur versuchen meine Aufzeichnungen Redaktionen anzubieten und ansonsten in den Tiefen des Rechners verschwinden zu lassen, sondern sofort der Welt kundtun was mir so widerfährt. Nun bin ich mir nicht sicher, ob die Welt da schon immer darauf gewartet hat. Als er aber versprach, der erste Abonnent zu sein, hatte er mich überredet.. Bedankt Euch also bei B. und dem Krüger in Berlin, wo solche Ideen geboren werden, für das was in den nächsten Wochen und Monaten hier im Blog erscheinen wird. Ob es denn wirklich spannend und lesenswert sein wird, kann ich nicht versprechen. Da müßt Ihr Euch genauso überraschen lassen wie ich.
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