...
Langweilig geworden ist mir über Ostern in Oaxaca nicht. Dafür sorgte schon das abwechslungsreiche Nachtleben der Stadt. Über die Feiertage war aber auch ansonsten einiges los.
Einer der häufigen Umzüge in Oaxaca
Als ich am späten Nachmittag zu Hause ankam, erzählte Carina, sie würde sich mit Steffi und einigen anderen bei Paul auf der Dachterrasse treffen. Später wollte man noch weiter ins Café Central ziehen, wo es am Karfreitag ein Konzert geben sollte. Wenn ich wolle, könne ich dazu stoßen, meinte sie. Natürlich hatte ich Lust den Abend in lustiger Gesellschaft zu verbringen. Also kaufte ich nach dem Kinobesuch im Pochote ein Literfläschchen Bier und machte mich auf den Weg zu Pauls Domizil an den „Escaleras de Fortín“.
Als ich eintrudelte, war die kleine Party schon voll im Gange und die erste Flasche Mezcal bereits geleert. Aber es gab ja noch eine, sodaß ich nicht auf dem Trockenen sitzen blieb. Außer den Leuten, die ich schon kannte waren noch Werner, ein Landsmann Carinas, und Christoph, ein Freund von Steffi da. Letzterer schenkte mir fleißig Mezcal nach, während Paul immer wieder in der Küche verschwand, um uns mit Pommes Frites und gebratenen Bananen zu verwöhnen.
Die Stimmung war so gut und die Vorräte an Mezcal und Bier so groß, daß wir fast das Konzert im Central verpaßten. Wir kamen zu den letzten beiden Songs und bekamen nur mehr zu hören, weil wir lauthals in das „Otra! Otra!“ der anderen einstimmten. Schade eigentlich, denn was da von der Bühne schall, klang ganz gut. Es war etwas angepunkter, harter Latinorock. Genau das Richtige zum abtanzen. Aber dazu sollte ja noch am nächsten Abend Gelegenheit sein. Zumindest dachten wir das. Laut Ankündigung sollte „Aphrodita“ dann nämlich Cumbia, Punk und Rock darbieten.
Am Samstagabend sind wir früher ins Central aufgebrochen, was auch wieder ein Fehler war. Ich weiß nicht genau wann die Band zu spielen anfing, aber ich hatte wohl schon drei oder vier Bier getrunken. Dann ging plötzlich auf der Bühne das Licht aus und eine Videoshow mit Flammenschwertern schwingenden Legionären wurde gezeigt, zu derem Ende die beiden Kämpfer höchst persönlich auf der Bühne erschienen und zu Klängen, die irgendwo zwischen Rammstein, Laibach und „Los Hereos del Selencio“ angesiedelt waren das gerade gesehene live vorführten.
Nicht schlecht für den Anfang, dachte ich mir, war aber mit dieser Auffassung ziemlich allein auf weiter Flur. Hinter mir brüllte ein schon ziemlich angetrunkenes Frauentrio „Queremos bailar, queremos bailar!“ – Wir wollen tanzen! – was die Schwertkämpfer zum Anlaß nahmen auf Cumbia umzuschalten. Und dabei blieb es dann auch den Rest des Abends. Während aus der Konserve Latinorhytmen runtergenudelt wurden, krächzten die beiden in ihre Mikros und entledigten sich nach und nach ihrer Legionärsuniformen.
Abgesehen von der mäßigen Musik war der Abend auch ansonsten eher ein Reinfall. Der Laden war knackevoll, man konnte fast nicht treten vor Menschenmassen, geschweige denn vernünftig tanzen. Der Qualm, zu dem ich zugegebener Maßen selber beitrug, machte meiner aufkeimenden Bindehautentzündung zu schaffen und zur Krönung des Ganzes sagte ein Mexikaner zu Carina, daß alle Deutschen und Österreicher Rassisten seien, während ein andere völlig begeistert über ihre Herkunft aus Oberösterreich war. Da kam doch der Hitler her, meinte er und begann von seinem Idol zu schwärmen. Ich weiß schon, warum ich so ungern am Wochenende ausgehe. Da läuft mir einfach zu viel Dummvolk rum.
Ostern auf mexikanisch
Eigentlich hätte ich mit mehr Rummel über die Feiertage gerechnet. Das war auch einer der Gründe, weswegen ich mit an den Strand fahren wollte. Das Wochenende zuvor war die Stadt nämlich voll mit Menschenmassen, die sich von Straßenfest zu Straßenfest schoben. Es gab kaum einen Fleck, wo man Ruhe fand.
Das Osterwochenende war das ganze Gegenteil. Der Ostersonntag war genauso langweilig, wenn nicht noch öder, wie die anderen Sonntage in Oaxaca. Nur gegen Abend gab es eine Reihe von Messen und, wie schon am Freitag, eine Prozession. Am Karfreitag zogen abends hunderte Gläubige mit Kerzen, Standarten und Heiligenstatuen zum „Marsch des Stille“ durch die Straßen der Stadt. Den Schluß des Zuges bildeten barfüßige Männer mit Kapuzen über den Gesichtern, welche riesige Holzkreuze auf den Schultern hinter sich her zerrten.
Von all dem Rummel am Sonntagabend habe ich allerdings nicht viel mitbekommen. Ich war so fertig, daß ich auf der Couch im Wohnzimmer eingeschlafen bin und erst aufwachte, als von draußen laute Kanonenschläge zu hören waren. Das hat mich aber nicht weiter gestört. Da ich todmüde war, beschloß ich zur Abwechslung mal früh ins Bett zu gehen.
Der Lärm wollte aber nicht aufhören und als auch noch dicke Rauchschwaden in mein Zimmer wehten, machte ich doch noch mal auf den Weg. Eine Straße weiter, kurz vor „Carmen Alto“, hatte man am Nachmittag ein riesiges, die umliegenden Häuser um das Doppelte überragendes, pyramidenförmiges Gerüst aufgebaut. Dieses stand jetzt buchstäblich in Flammen. Mal drehten sich an seiner Spitze brennende Spiralen und Sekunden später flammten dann österliche Sprüche auf. Dazwischen wurden immer wieder Raketen gestartet, was zuerst wie der Abschuß einer Kanone und dann, wenn sie am Himmel explodierten, wie der Einschlag der Granate klang. Zum Abschluß hob von der Spitze des Gerüstes ein sich drehender Feuerring ab und stieg langsam dem Vollmond entgegen in den Nachthimmel.
Vorboten des Abschieds
Sonntag Nachmittag lag etwas Komisches über der Stadt. Der Himmel war mit dicken grauen Wolken verhangen und eine drückende Schwüle machte sich breit, die am nächsten Morgen empfindlicher Kälte wich. Es war fast zu kalt für meinen morgendlichen Ausflug zur Plazuela Labastida. Mich überkam plötzlich eine gewisse Traurigkeit, die erst verflog, als gegen Mittag die Wolkendecke aufriß und die Sonne alles in ihr gleißendes Licht tauchte. War diese melancholische Stimmung ein Vorgefühl des nahenden Abschieds? Carina würde am Mittwoch fahren. Dienstag Abend sollte es noch eine kleine Abschiedsparty in der Embajada geben. Steffi wollte am Wochenende weiterreisen und in nicht ganz zwei Wochen müßte auch ich mich auf den Heimweg machen. So langsam löste sich unsere kleine Comunidad hier auf.
Einer der häufigen Umzüge in Oaxaca
Als ich am späten Nachmittag zu Hause ankam, erzählte Carina, sie würde sich mit Steffi und einigen anderen bei Paul auf der Dachterrasse treffen. Später wollte man noch weiter ins Café Central ziehen, wo es am Karfreitag ein Konzert geben sollte. Wenn ich wolle, könne ich dazu stoßen, meinte sie. Natürlich hatte ich Lust den Abend in lustiger Gesellschaft zu verbringen. Also kaufte ich nach dem Kinobesuch im Pochote ein Literfläschchen Bier und machte mich auf den Weg zu Pauls Domizil an den „Escaleras de Fortín“.
Als ich eintrudelte, war die kleine Party schon voll im Gange und die erste Flasche Mezcal bereits geleert. Aber es gab ja noch eine, sodaß ich nicht auf dem Trockenen sitzen blieb. Außer den Leuten, die ich schon kannte waren noch Werner, ein Landsmann Carinas, und Christoph, ein Freund von Steffi da. Letzterer schenkte mir fleißig Mezcal nach, während Paul immer wieder in der Küche verschwand, um uns mit Pommes Frites und gebratenen Bananen zu verwöhnen.
Die Stimmung war so gut und die Vorräte an Mezcal und Bier so groß, daß wir fast das Konzert im Central verpaßten. Wir kamen zu den letzten beiden Songs und bekamen nur mehr zu hören, weil wir lauthals in das „Otra! Otra!“ der anderen einstimmten. Schade eigentlich, denn was da von der Bühne schall, klang ganz gut. Es war etwas angepunkter, harter Latinorock. Genau das Richtige zum abtanzen. Aber dazu sollte ja noch am nächsten Abend Gelegenheit sein. Zumindest dachten wir das. Laut Ankündigung sollte „Aphrodita“ dann nämlich Cumbia, Punk und Rock darbieten.
Am Samstagabend sind wir früher ins Central aufgebrochen, was auch wieder ein Fehler war. Ich weiß nicht genau wann die Band zu spielen anfing, aber ich hatte wohl schon drei oder vier Bier getrunken. Dann ging plötzlich auf der Bühne das Licht aus und eine Videoshow mit Flammenschwertern schwingenden Legionären wurde gezeigt, zu derem Ende die beiden Kämpfer höchst persönlich auf der Bühne erschienen und zu Klängen, die irgendwo zwischen Rammstein, Laibach und „Los Hereos del Selencio“ angesiedelt waren das gerade gesehene live vorführten.
Nicht schlecht für den Anfang, dachte ich mir, war aber mit dieser Auffassung ziemlich allein auf weiter Flur. Hinter mir brüllte ein schon ziemlich angetrunkenes Frauentrio „Queremos bailar, queremos bailar!“ – Wir wollen tanzen! – was die Schwertkämpfer zum Anlaß nahmen auf Cumbia umzuschalten. Und dabei blieb es dann auch den Rest des Abends. Während aus der Konserve Latinorhytmen runtergenudelt wurden, krächzten die beiden in ihre Mikros und entledigten sich nach und nach ihrer Legionärsuniformen.
Abgesehen von der mäßigen Musik war der Abend auch ansonsten eher ein Reinfall. Der Laden war knackevoll, man konnte fast nicht treten vor Menschenmassen, geschweige denn vernünftig tanzen. Der Qualm, zu dem ich zugegebener Maßen selber beitrug, machte meiner aufkeimenden Bindehautentzündung zu schaffen und zur Krönung des Ganzes sagte ein Mexikaner zu Carina, daß alle Deutschen und Österreicher Rassisten seien, während ein andere völlig begeistert über ihre Herkunft aus Oberösterreich war. Da kam doch der Hitler her, meinte er und begann von seinem Idol zu schwärmen. Ich weiß schon, warum ich so ungern am Wochenende ausgehe. Da läuft mir einfach zu viel Dummvolk rum.
Ostern auf mexikanisch
Eigentlich hätte ich mit mehr Rummel über die Feiertage gerechnet. Das war auch einer der Gründe, weswegen ich mit an den Strand fahren wollte. Das Wochenende zuvor war die Stadt nämlich voll mit Menschenmassen, die sich von Straßenfest zu Straßenfest schoben. Es gab kaum einen Fleck, wo man Ruhe fand.
Das Osterwochenende war das ganze Gegenteil. Der Ostersonntag war genauso langweilig, wenn nicht noch öder, wie die anderen Sonntage in Oaxaca. Nur gegen Abend gab es eine Reihe von Messen und, wie schon am Freitag, eine Prozession. Am Karfreitag zogen abends hunderte Gläubige mit Kerzen, Standarten und Heiligenstatuen zum „Marsch des Stille“ durch die Straßen der Stadt. Den Schluß des Zuges bildeten barfüßige Männer mit Kapuzen über den Gesichtern, welche riesige Holzkreuze auf den Schultern hinter sich her zerrten.
Von all dem Rummel am Sonntagabend habe ich allerdings nicht viel mitbekommen. Ich war so fertig, daß ich auf der Couch im Wohnzimmer eingeschlafen bin und erst aufwachte, als von draußen laute Kanonenschläge zu hören waren. Das hat mich aber nicht weiter gestört. Da ich todmüde war, beschloß ich zur Abwechslung mal früh ins Bett zu gehen.
Der Lärm wollte aber nicht aufhören und als auch noch dicke Rauchschwaden in mein Zimmer wehten, machte ich doch noch mal auf den Weg. Eine Straße weiter, kurz vor „Carmen Alto“, hatte man am Nachmittag ein riesiges, die umliegenden Häuser um das Doppelte überragendes, pyramidenförmiges Gerüst aufgebaut. Dieses stand jetzt buchstäblich in Flammen. Mal drehten sich an seiner Spitze brennende Spiralen und Sekunden später flammten dann österliche Sprüche auf. Dazwischen wurden immer wieder Raketen gestartet, was zuerst wie der Abschuß einer Kanone und dann, wenn sie am Himmel explodierten, wie der Einschlag der Granate klang. Zum Abschluß hob von der Spitze des Gerüstes ein sich drehender Feuerring ab und stieg langsam dem Vollmond entgegen in den Nachthimmel.
Vorboten des Abschieds
Sonntag Nachmittag lag etwas Komisches über der Stadt. Der Himmel war mit dicken grauen Wolken verhangen und eine drückende Schwüle machte sich breit, die am nächsten Morgen empfindlicher Kälte wich. Es war fast zu kalt für meinen morgendlichen Ausflug zur Plazuela Labastida. Mich überkam plötzlich eine gewisse Traurigkeit, die erst verflog, als gegen Mittag die Wolkendecke aufriß und die Sonne alles in ihr gleißendes Licht tauchte. War diese melancholische Stimmung ein Vorgefühl des nahenden Abschieds? Carina würde am Mittwoch fahren. Dienstag Abend sollte es noch eine kleine Abschiedsparty in der Embajada geben. Steffi wollte am Wochenende weiterreisen und in nicht ganz zwei Wochen müßte auch ich mich auf den Heimweg machen. So langsam löste sich unsere kleine Comunidad hier auf.
king.knut - 24. Mär, 23:16