...
Ich habe beschlossen noch eine weitere Woche Unterricht bei Iván zu nehmen. Es macht einfach Spaß sich mit ihm zu unterhalten. Und mir werden immer mehr Zusammenhänge durch unsere Gespräche klar. Seit dem Wochenende wohne ichArmut übrigens auch nicht mehr alleine bei Christina. Samstag Nacht ist Carina eingezogen.
Skakonzert auf der zweiten Tiangui Cultural
Wir kennen uns aus der Tentación, wo auch sie jeden Dienstag beim Konzert anzutreffen ist, sind uns aber auch im Café Central regelmäßig über den Weg gelaufen. Die letzten zwei Wochen war sie unterwegs, ist mit ihrer Schwester einmal quer durch Mexiko gereist. Weil sich mittlerweile ihre WG aufgelöst hat, suchte sie auf die Zeit danach eine neue, günstigeren Bleibe.
Iván
Nach dem was ich letzte Woche geschrieben habe, könnte man den Eindruck bekommen, Iván sei ein eher konservativer Zeitgenosse. Ganz das Gegenteil trifft meiner Meinung nach zu. Er hat ein Buch geschrieben, welches „El sindrome de subsistencio“ heißt und ein Abriß der mexikanischen Nachrevolutionsgeschichte unter ökonomischen Gesichtspunkten ist. Darin kritisiert er mit spitzer Feder die neoliberale Politik der mexikanischen Regierungen seit Anfang der Achtziger und macht auch nicht Halt davor, ein wenig über den „nördlichen Nachbarn“ herzuziehen.
Auf sein Buch führte er allerdings das bestehende Einreisesverbot in die USA nicht zurück. Dieses, glaubt er, hat er eher seiner illustren Familie zu verdanken. Einer seiner Onkel war aktiv in der Bewegung der Eisenbahner Ende der fünfziger Jahren und hat für seine politischen Aktivitäten fast neun Jahre im im Knast gesessen. Später kandidierte er als Kongreßabgordneter Guerreros für die Kommunisten. Die Wahlkampagne finanzierte ihm ironischer Weise Rubén Figueroa, ein alter Schulfreund und der damalige P.R.I.-Gouverneur Guerreros.
Ein anderer Onkel, der ebenfalls Kommunist war, wurde in den vierziger Jahren in Mexiko Stadt von der Polizei erschossen. Die genauen Umstände sind Iván nicht bekannt, da sich die Behörden seiner Zeit weigerten die Leiche der Witwe zu übergeben. Beide Onkel haben an einer recht linkslastigen Schule, der „Escuela Normal de Ayotzinapa“ studiert und waren wie Iváns Eltern Grundschullehrer auf dem Land.
An dem Engagement dieser Leute mißt Iván das Movimiento und die Gewerkschaft der Lehrer. Er kritisiert, daß diese aus gesicherter Stellung heraus nichts weiter machen würden, als für ihre eigenen egoistischen Ziele einzutreten. Darüber hinaus hat er ein fundamentales Problem mit anarchistischen Bewegungen, zu denen er sowohl die APPO als auch die Sección XXII zählt. Für ihn haben diese nichts weiter im Sinn, als zu zerstören. Seine Devise ist aber aufzubauen und das sei seiner Meinung nach nur mit harter Arbeit möglich.
Ich möchte das hier nur wiedergeben und auf keinen Fall kommentieren. Auch wenn ich nicht in allen Punkten mit Iván übereinstimme, finde ich es spannend mich mit ihm über Politik und die Geschehnisse der letzten Zeit zu unterhalten. Deshalb habe ich meinen Sprachkurs noch einmal verlängert. Zum Reisen wird später noch Zeit sein.
Armut
Was Iván über die Auswirkungen des Neoliberalismus in Mexiko sagt, läßt sich auf keinen Fall von der Hand weisen. Auf Schritt und Tritt begegne ich in Oaxaca bitterster Armut.
Als ich eines Morgens Kaffee schlürfend und Zeitung lesend auf der Plazuela Labastida saß, sah ich einen alten Mann die Abfallbehälter durchwühlen. Er kramte nicht ganz leere Plastebecher hervor und trank die Reste aus. Nicht weniger traurig war es zu beobachten, wie ein Bettler versuchte seine völlig verdreckten Hände mit dem Wasser aus dem Rinnstein zu säubern.
Das sind nur zwei extreme Beispiele für die große Armut in dieser wohlhabenden und bei weitem nicht billigen Stadt. In den Fußgängerzonen betteln viele ältere Menschen, aber auch Kinder oder ganze Indiginafamilien. Immer wieder sieht man Behinderte um Almosen bitten oder mit dem Leierkasten oder Akkordeon für etwas Kleingeld Musik machen. Auf der Straße und in den Cafés wird man häufig von Souvenirverkäufern, oftmals Kindern, oder Leuten mit Bauchläden angesprochen, die Kaugummis und Zigaretten verkaufen.
Ich habe mir angewöhnt jeden Tag bei den fliegenden Händlern eine Kleinigkeit – meistens ein oder zwei Zigaretten – zu kaufen. Auch gebe ich dem einen oder anderen Bettlern etwas Kleingeld. Dem Alten von der Plazuela Labastida habe ich sogar Geld in die Hand gedrückt, ohne das er bettelte. Daß ich damit nichts an den Ursachen der Armut dieser Menschen ändere ist mir schon klar. Aber vielleicht hilft es ja ihre unmittelbare Not ein wenig zu mindern.
Skakonzert auf der zweiten Tiangui Cultural
Wir kennen uns aus der Tentación, wo auch sie jeden Dienstag beim Konzert anzutreffen ist, sind uns aber auch im Café Central regelmäßig über den Weg gelaufen. Die letzten zwei Wochen war sie unterwegs, ist mit ihrer Schwester einmal quer durch Mexiko gereist. Weil sich mittlerweile ihre WG aufgelöst hat, suchte sie auf die Zeit danach eine neue, günstigeren Bleibe.
Iván
Nach dem was ich letzte Woche geschrieben habe, könnte man den Eindruck bekommen, Iván sei ein eher konservativer Zeitgenosse. Ganz das Gegenteil trifft meiner Meinung nach zu. Er hat ein Buch geschrieben, welches „El sindrome de subsistencio“ heißt und ein Abriß der mexikanischen Nachrevolutionsgeschichte unter ökonomischen Gesichtspunkten ist. Darin kritisiert er mit spitzer Feder die neoliberale Politik der mexikanischen Regierungen seit Anfang der Achtziger und macht auch nicht Halt davor, ein wenig über den „nördlichen Nachbarn“ herzuziehen.
Auf sein Buch führte er allerdings das bestehende Einreisesverbot in die USA nicht zurück. Dieses, glaubt er, hat er eher seiner illustren Familie zu verdanken. Einer seiner Onkel war aktiv in der Bewegung der Eisenbahner Ende der fünfziger Jahren und hat für seine politischen Aktivitäten fast neun Jahre im im Knast gesessen. Später kandidierte er als Kongreßabgordneter Guerreros für die Kommunisten. Die Wahlkampagne finanzierte ihm ironischer Weise Rubén Figueroa, ein alter Schulfreund und der damalige P.R.I.-Gouverneur Guerreros.
Ein anderer Onkel, der ebenfalls Kommunist war, wurde in den vierziger Jahren in Mexiko Stadt von der Polizei erschossen. Die genauen Umstände sind Iván nicht bekannt, da sich die Behörden seiner Zeit weigerten die Leiche der Witwe zu übergeben. Beide Onkel haben an einer recht linkslastigen Schule, der „Escuela Normal de Ayotzinapa“ studiert und waren wie Iváns Eltern Grundschullehrer auf dem Land.
An dem Engagement dieser Leute mißt Iván das Movimiento und die Gewerkschaft der Lehrer. Er kritisiert, daß diese aus gesicherter Stellung heraus nichts weiter machen würden, als für ihre eigenen egoistischen Ziele einzutreten. Darüber hinaus hat er ein fundamentales Problem mit anarchistischen Bewegungen, zu denen er sowohl die APPO als auch die Sección XXII zählt. Für ihn haben diese nichts weiter im Sinn, als zu zerstören. Seine Devise ist aber aufzubauen und das sei seiner Meinung nach nur mit harter Arbeit möglich.
Ich möchte das hier nur wiedergeben und auf keinen Fall kommentieren. Auch wenn ich nicht in allen Punkten mit Iván übereinstimme, finde ich es spannend mich mit ihm über Politik und die Geschehnisse der letzten Zeit zu unterhalten. Deshalb habe ich meinen Sprachkurs noch einmal verlängert. Zum Reisen wird später noch Zeit sein.
Armut
Was Iván über die Auswirkungen des Neoliberalismus in Mexiko sagt, läßt sich auf keinen Fall von der Hand weisen. Auf Schritt und Tritt begegne ich in Oaxaca bitterster Armut.
Als ich eines Morgens Kaffee schlürfend und Zeitung lesend auf der Plazuela Labastida saß, sah ich einen alten Mann die Abfallbehälter durchwühlen. Er kramte nicht ganz leere Plastebecher hervor und trank die Reste aus. Nicht weniger traurig war es zu beobachten, wie ein Bettler versuchte seine völlig verdreckten Hände mit dem Wasser aus dem Rinnstein zu säubern.
Das sind nur zwei extreme Beispiele für die große Armut in dieser wohlhabenden und bei weitem nicht billigen Stadt. In den Fußgängerzonen betteln viele ältere Menschen, aber auch Kinder oder ganze Indiginafamilien. Immer wieder sieht man Behinderte um Almosen bitten oder mit dem Leierkasten oder Akkordeon für etwas Kleingeld Musik machen. Auf der Straße und in den Cafés wird man häufig von Souvenirverkäufern, oftmals Kindern, oder Leuten mit Bauchläden angesprochen, die Kaugummis und Zigaretten verkaufen.
Ich habe mir angewöhnt jeden Tag bei den fliegenden Händlern eine Kleinigkeit – meistens ein oder zwei Zigaretten – zu kaufen. Auch gebe ich dem einen oder anderen Bettlern etwas Kleingeld. Dem Alten von der Plazuela Labastida habe ich sogar Geld in die Hand gedrückt, ohne das er bettelte. Daß ich damit nichts an den Ursachen der Armut dieser Menschen ändere ist mir schon klar. Aber vielleicht hilft es ja ihre unmittelbare Not ein wenig zu mindern.
king.knut - 5. Mär, 18:49