4
Feb
2008

...

Habe mich so langsam in meinem neuen Heim eingelebt und mit den kleinen Besonderheiten vertraut gemacht. Und ich bekomme jetzt auch viel mehr mit, wie gewalttätig das Leben hier in Oaxaca zu sein scheint. Am Abend gab es noch mal eine Neuauflage der Diskussion vom Freitag mit Miguel.

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Ich bin mittlerweile richtig froh, umgezogen zu sein. Es ist schon etwas anderes, ob man mit ein paar Leuten zusammen in einer WG lebt oder mit ständig wechselnden Nachbarn in einem Hostal. Auch mit meinem Zimmer habe ich mich richtig anfreunden können. Die blauen Wände und der Steinfußboden lassen es zwar viel kälter wirken als das alte. Aber die Befürchtung, daß ich früh nicht aus den Federn kommen würde weil da unten kein Licht rein kommt war völlig unbegründet. Das Zimmer hat zwar kein Fenster, dafür besteht der obere Teil der Flügeltür aus großen Glasscheiben. Die lassen schon genug Licht rein damit ich noch rechtzeitig munter werde. Und falls nicht, dann ist da noch die Jogaschule nebenan. Schon vor acht tönen von dort laut die Anweisungen der Lehrer herüber.

Außer zum Schlafen halte ich mich allerdings nicht großartig in meinem Zimmer auf. Sitze zum Arbeiten lieber im Wohnzimmer oder gehe raus, mich in einen Park setzen oder in ein Café, wo ich bei einem Latte Macchiato meine Mails checken kann. Oh Mann, so ein yuppihaftes Verhalten würde mir in Berlin ja nie in den Sinn kommen. Aber bei Christina gibt es keinen Internetanschluß im Haus und im ?Nuevo Mundo? kann ich mich kostenlos in W-LAN einklinken. Darüber hinaus können die da einen richtig guten Kaffee machen.

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Auch ansonsten weiß ich so langsam, wie der Laden hier so läuft. Das Trinkwasser muß man bestellen. Ein Anruf genügt und eine halbe Stunde später kommt ein Wagen vorbei, bringt zwei volle 20l-Flaschen und nimmt die leeren mit. Etwas länger gedauert hat es, bis ich wußte, wie das mit dem Gas funktioniert. Im Hof steht eine große Gasflasche, deren Ventil allerdings stets zugedreht ist. Zum Kochen muß man es öffnen und danach wieder schließen, da sich ansonsten das Gas verflüchtigt. Das spricht jetzt nicht gerade für die Installation hier im Haus, ist aber halt nun einmal so.

Ziemlich geflucht habe ich gestern beim Duschen. Am Freitag gab es noch kochend heißes Wasser. Was gestern kam, konnte man viel gutem Willen bestenfalls als lauwarm bezeichnen. Wie mir Christina später erklärte, muß ich ungefähr eine halbe Stunde vor dem Duschen den Gasboiler anzünden und das Wasser warm machen. Hätte sie mir aber auch eher sagen können.

Spirale der Gewalt

Einen weiteren Vorteil hat mein Umzug noch. Hier im Haus gibt es einen Fernseher. Nicht daß ich jetzt den ganzen Tag vor der Glotze hängen möchte. Aber so habe ich Gelegenheit zu erfahren, was so passiert. Hätte dann bestimmt auch gewußt, was es mit dem massiven Polizeiaufgebot bei der Beerdigung letzten Donnerstag auf sich hatte. Ich lag mit meiner Vermutung schon ganz richtig, daß da ein wichtiger Bulle beigesetzt wird. Am Tag zuvor wurde dieser, sein Leibwächter und noch zwei Unbeteiligte beim morgendlichen Jogging buchstäblich von Kugeln durchsiebt. Auf der Seite der APPO fand ich heute dazu einen ausführlichen Bericht.

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Auf den Seiten der FPR (Frente Popular Revolucionario) war zu lesen, daß am selben Tag, also dem Mittwoch letzter Woche, ein Campesino und Aktivist von einer Polizeipatroulie einkassiert und einen Tag später tot aufgefunden wurde. Ich glaube nicht, daß es zwischen den beiden Vorfällen einen direkten Zusammenhang gibt. Sie sind für mich aber ein Zeichen dafür, in welch gewalttätigen Klima man hier lebt.

Ein Blick in die Nachrichten scheint das zu bestätigen. Heute Abend war in fast jedem Beitrag von einem oder mehreren Toten die Rede. Mindestens zwei Mal gab es Großaufnahmen von Kugeln durchlöcherter Autos. Und immer wieder war die Rede vom Kampf gegen den Drogenhandel, in dem einem Bericht zufolge sogar Armeeeinheiten eingesetzt werden.

Friday night - part two

Am späteren Abend habe ich mich noch mit Miguel in einer Bar getroffen. Wir plauderten ein wenig über Gott und die Welt und irgendwann kam er auf Freitag Abend zu sprechen. Er meinte, er sei wohl recht betrunken gewesen - stimmt auf jeden Fall, war ich auch - und bat mich seiner Ex-Freundin, einem der Mädels die wir in der Nacht trafen, nichts davon zu erzählen. Konnte ich ihm ruhigen Gewissens versprechen. Zu vorgerückter Stunde lenkte er noch einmal die Diskussion darauf, ob ich mir solche Dinge nicht doch vorstellen könne. Das ist mir ein Früchtchen. Ich habe ja nichts dagegen, daß er in solchen Dingen in alle Richtungen offen ist. Auch kann ich ganz gut seine Anbaggerversuche abwehren. Allerdings würde ich schon einen offenen Umgang damit erwarten. Diese Heimlichtuerei gefällt mir genau genommen gar nicht.
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